einem Aufenthalt in Holland dem deutschen Maler und Dichter Kurt Schwitters
die Kinder nachliefen, da er den Meeresstrand nach angespültem Gut absuchte,
nach Holzstücken, nach Fragmenten von Netzen oder Meertieren.
Heute ist es bereits im weiten Umkreis selbstverständlich geworden, daß
ein Stück Baumwurzel unter Umständen mehr gefühlsmäßige Reaktion in uns
hervorruft, wie der schönste Oeldruck.
Diese «Objets ä reaction poetique» wachsen nun in die Bilder Le Corbusiers,
«Wenn meinen Geist», so drückte es Corbusier dieser Tage in einem Brief aus,
«zum Beispiel die Struktur eines Knochenschnittes beschäftigt, so werde ich
nicht auf den Gedanken kommen, aus dieser Tatsache ein kleines naturalistisches
Abbild etwa in der Größe dieses Objektes zu machen. Im Gegenteil, ich werde
versuchen, mit diesem Element ein ganzes Bild auszufüllen, um so den Gegen-
stand im Maßstab des Interesses, das er in mir hervorruft, zu vergrößern. Ich
werde ihn mit figuralen Elementen zusammenbringen, die die gleiche Ober-
fläche bedecken und die im Verhältnis zum dargestellten Objekt uns klein
erscheinen werden.»
Die einfache «Mariage de Contours» der Umrißlinien in der Zeit des
Purismus wird nun zu Schlangenformen, die oft durch das ganze Bild gehen.
zu Tauen, zu Umrissen von Körpern.
Es meldet sich ein neues künstlerisches Moment: In den Bil-
dern des Purismus herrschte nur ein einfacher Maßstab. Nun treten, wie wir
sahen, innerhalb eines Bildes oft mehrere auf. Neue Bildspannungen entstehen
durch die Verschiedenheit der Proportion. Mitten im Maler
Le Corbusier wird der Architekt fühlbar, zu dessen Berufung und Meisterschaft
es gehört, mit der Größe verschiedener Volumina operieren zu können.
Auch andere Maler werden von diesen Fragen berührt.
Wenige Tage, ehe das Bild, das Picasso zum Gedächtnis von «Guernica»
malte, in die Pariser Weltausstellung gelangte, stand ich mit einem Freund
im Atelier jenes Malers. Das kolossale Bild fand kaum Platz. Wir fragten
Picasso: «Wie würden Sie zum Beispiel das Bild jemandem erklären, der keinen
Zugang findet?» «Je ne dirais rien.» Aber dann sagte er doch einfach: «Die
Malerei ist heute so weit, daß sie es sich gestatten kann, zum Beispiel einen
Eßraum und Kamin darzustellen, und gleichzeitig in diesen Eßraum das ganze
Haus hineinzuprojizieren, vor dem sich der Vorgang abspielt.» Bei Picasso
sind es also zum Beispiel Raumspannungen, die die malerische Phantasie
erzeugt.
12