Hinter Charles-Edouard Jeanneret, der seine Herkunft von einem seit den
Albigenserkriegen, vor 700 Jahren, im Neuenburger Jura angesessenen Geschlecht
ableitet, und seit der Arbeitsverbindung mit seinem Vetter Pierre Jeanneret,
im Jahre 1922, nach einem Verwandten von mütterlicher Seite sich Le Corbusier
nennt, liegt heute ein Leben von 50 Jahren und ein überreiches geistiges und
künstlerisches Werk. Es ist deshalb kein Wagnis, wenn das Zürcher Kunsthaus
ihm als Maler seine Säle öffnet, wie es dies im Verlauf der letzten zwölf Jahre
für andere Wegsucher und Wegbereiter einer grundsätzlich andern als der
«gegenständlichen» Kunst getan hat: für Picasso, Juan Gris, Fernand Leger und
manche ihrer Genossen und Schüler im Ausland und in der Schweiz. Und das
wohl orientierte und aufgeschlossene Zürich wird sich auf diese Begegnung
nicht weniger freuen, als wie es aufmerksam und verständnisvoll den früheren
Botschaften sich dargeboten und sie in sich aufgenommen hat.
' Uebermächtig und großartig, als Manifest eines Heros des Pessimismus,
hält wohl uns alle die Picasso-Ausstellung von 1932 noch in ihrem Bann. Neben
diesem Aufrührer des Geistes ist Le Corbusier, wenn auch bei der ersten Be-
gegnung mit seiner Malerei uns Anklänge in der Sprache immer wieder zwingen
wollen, Zusammenhänge zu sehen, von Grund auf anderen Wesens. Er will ein
Freund der Menschen sein, für sie denken und schaffen, um ihnen nicht nur
durch eine einzige Kunstform, wie etwa die Malerei, sondern überhaupt durch
Klärung und Ordnung der Kräfte und der Dinge das Dasein leichter und lichter
und zu einem wirklichen, aktiven Leben werden lassen. Die Notwendigkeit dafür
brennt ihn vor allem in der fast unentwirrbar gewordenen Verwicklung der Men-
schen und ihrer Dinge und Interessen innerhalb der riesenhaft gedunsenen An-
sammlungen, ‘die heute noch Städte heißen. Le Corbusier ist der Erfinder des
«Urbanisme», einer Theorie und Praxis zur materiellen und geistigen Heilung
der Krankheiten der Großstadt.
So darf man wohl auch in seinen Bildern weniger nur künstlerische Unruhe
und Auflehnung gegen für uns tot gewordene, weil gedankenlose Ueberlieferung
erwarten, als positives Streben nach geordnetem Reichtum von künstlerischen
S