Nur Betrachtung einzeln und Betrachtung aus der Nähe
erschließt auch jede der vielen Tafeln des Baslers Ernst
Schieß. Sie sind nicht entstanden als dekorative
Reihen, jede ist ein Sonderfall, Ergebnis unmittel-
barer Eingebung und Hingebung an die Gunst der
Stunde. Das künstlerische Herkommen von Ernst Schieß
ist sehr verschieden von der früh einsetzenden sorg-
fältigen Schule eines Moilliet. Er wird als Kaufmann in
Spanien und Mexiko dreißig Jahre alt, bis in Rom der
Maler in ihm durchbricht. Hier ist sein Führer der aus
Aarburg gebürtige tüchtige Franz Theodor Aerni, ein
Jahrgänger Hodlers, in der Schweiz weniger bekannt und
heimisch als in Rom und Neapel. 1906 wird Schieß
Meisterschüler des berühmten Eugen Bracht an der Dres-
dener Akademie. Schweizerische Berglandschaften mit
dunkeln Felsen und breit lastenden Firnen und Glet-
schern sprechen für die Schule des Meisters und die Be-
gabung des Schülers. Sächsisches Pathos ist ihm aber
nicht gemäß, und sein Blut hat auch zu wenig Stetigkeit,
als daß er ein Basler Gattiker werden könnte. 1908 ent-
scheidet er sich für Paris,
In Paris, im milden französischen Licht und im frucht-
baren Austausch mit der kultivierten französischen
Malerei, wird Schieß der Maler, der er für uns bleiben
wird. Mit feintonigen Arbeiten aus den Pariser Jahren
setzt die Zürcher Ausstellung ein. Sie stellt eine Auswahl
dar aus Hunderten, die alle nicht weniger frisch und
persönlich sich darbieten und zwischen 1911 und 1919
liegen, innerhalb neun kurzer Jahre, die überdies noch
aufgeteilt sind in Abschnitte von ganz bestimmtem Cha-
rakter durch wechselvolle Reisen und Studienaufenthalte.
Es schieben sich zwischen Paris und die Bretagne 1912
Korsika, 1913 Sizilien und Rom, 1914 Porquerolles am
französischen Mittelmeer. 1915 bis 1918 folgen Auf-
enthalte im Tessin, 1916 in Spanien mit Cadiz, Granada,
Sevilla, Toledo, 1916/17 Mallorca, 1917/18 Algier, Tunis,
Marokko, 1919 noch einmal Spanien.
Bei der Unzahl der täglichen Werke ist meist der
Schritt nur klein vom einen zum andern, er geht mit dem
Sekundenzeiger. Bei näherem Zusehen ergibt sich aber
bald, daß uns der Maler mit dem Wechsel der geogra-
phischen Himmelsstriche auch steis in andere künst-