Full text: Zeichnungen und Aquarelle aus Nordafrika Herbst 1936 von Ernst Morgenthaler

Aus dem afrikanischen Tagebuch, Herbst 1936 
MARNIA, 21. Sept. 
Mein Paß kommt morgen früh zurück. Seitdem ich 
weiß, daß alles wieder in Ordnung kommt, bin ich wieder 
gesund geworden in meinem Geist. Die Ungewißheit 
eines homme sans papier und die Polizeier dazu machten 
mich fast krank. Nun habe ich gestern nachmittag auch 
gesehn, daß ich dem Ort hier schweres: Unrecht. getan 
hatte. Ich hatte ein Vorurteil gegen ihn schon von meiner 
letzten Reise her und war unglücklich, daß ich gerade in 
solcher Gegend warten sollte. Die von einer schlimmen 
Pseudo-Zivilisation vermanschte Bevölkerung war mir un- 
sympathisch, das künstliche, palmenumsäumte Boulevard 
kam mir lächerlich vor — ein protziges Denkmal sitzt 
darin wie ein Geschwür — und das kriegerische Getue 
und Getrommel vom Morgen bis am Abend gab mir voll- 
ends auf die Nerven. Ich hielt mich erst streng an den 
Befehl, den Ort nicht zu verlassen. Am dritten Tage aber 
hielt ich’s nicht mehr aus. Und da erlebte ich, wie falsch 
es ist, .auf Grund einiger oberflächlicher Eindrücke über 
ein Ganzes urteilen. zu wollen. Kaum hat man nur zehn: 
Minuten lang dieser militärischen Kulisse den Rücken 
gekehrt, so ist sie hinter einem versunken wie ein böser 
Traum. Man spaziert vier Meter hohen Kaktushecken 
entlang, kommt zu Nomadenzelten,. die grau sind wie 
unsere Wespenhäuser, wird freundlich gegrüßt von 
phantastischen Gestalten, die zu Fuß oder zu Pferd über 
neapelgelbe oder englischrote Hügel herunterkommen. 
Kinder spielen, lachen, weinen, eine Frau sagt ihrem 
Manne-alle Gottschande — wie vertraut und heimelig das 
alles klingt. Struppige Ziegen schnuppern herum und die 
Sn.
	        
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