In diesem ‚„‚verschlossenen Nippon“ vollzog sich während zweı Jahrhunder-
ten die Ausbildung jener gesellschaftlichen und künstlerischen japanischen
Kultur, die wir noch immer unvollkommen unterrichteten Europäer vor
allem im klassischen Farben-Holzschnitt des 17. und 18. Jahrhunderts
zu fassen glauben. Doch blieb die Idylle dieser Goldenen Tokugawa-Zeit
nicht frei von innerer Unruhe und Störung von außen. Beziehungen zu
der übrigen Welt brachte 1786 das erste Erscheinen der Russen auf der
Insel Hokkaido, das sich bald wiederholte; 1808 nahmen die Engländer
Anlaß, ein Dorf bei Nagasaki zu zerstören. Andere unliebsame Erfahrungen
verursachten 1825 eine neue Verordnung an die Daimyos, alle Europäer
zu vertreiben. Sie stieß auf Widerstand im Lande selbst, da die holländische
Kolonie Freunde gewonnen hatte und diese sich mit Billigung des Shogunats
für die Erweiterung der Beziehungen zu Europa einsetzten. 1853 erschienen
wieder ein russisches, aber auch amerikanische Schiffe, 1854 erhielt durch
einen provisorischen Vertrag Amerika Zugang zu zwei Häfen, 1859 die
Zusicherung der Öffnung von Yokohama, Nagasaki, Niigata, Kobe,
und ähnliche Verträge erwirkten bald auch Rußland, England, Holland,
Frankreich, Preußen. Das Land wurde durch die Fremdenfrage seıt dem
Anfang des Jahrhunderts in heftige Parteiungen und Kämpfe gespalten.
1862 brennen in Yedo die Fremdenfeinde die englischen und amerikani-
schen Gesandtschaftsgebäude nieder; ım nächsten Jahr beschießen
europäisch-amerikanische internationale Flotten japanische Stellungen
und erlangen schwere Kontributionen. 1867 gibt der Shogun Tokugawa
Joshinobu dem fünfzehnjährigen Kaiser Mutsuhito die Kegierungsgewalt
zurück, nach 675 Jahren ist der Kaiser wieder im alleinigen Besitz der
Macht, im folgenden Jahr wird die Feudalordnung aufgehoben, die
Daimyos legen ihre militärischen und politischen Befugnisse nieder, ihre
Länder werden Reichsgut, sie selber mit Geld und Titeln entschädigt, die
Fremdensperre fällt, das Land erhält eine Verfassung, Japan wird ein
moderner Staat. Die neue Ära erhält den Namen ‚„‚Meiji‘“, „die glänzende
(oder erleuchtete) Regierung““
Artikel 5 der kaiserlichen Proklamation über die Neuordnung des Reiches
vom Februar 1868 lautet: ‚,Es sollen alle Kenntnisse aus allen Teilen der
Welt von uns übernommen werden zur Stärkung des Staates‘‘. Daß dieses
Prinzip auch in dem für das Gedeihen des Staates kaum ausschlaggebenden
Bereich des farbigen Holzschnittes sein Recht erlangt hat, ist Grund der
großen Klage vieler europäischer Sammler und Kenner. Seit 1860 wurden
durch die europäischen Chemiker die Anilinfarben hergestellt. Ihrem ver-
führerischen Glanz verfielen die Japaner mit einem vielleicht bedauerlichen,
gleichzeitig aber auch entwaffnenden Enthusiasmus. Nun wird der japa-
nische Holzschnitt bunt, mit süßem Rosenrot und schmelzendem Preußisch-
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