DIE FIGUR
Der Schweizer, der, erstaunt oder verstimmt darüber, daß von
fünf Malen dreimal Gustave Courbet, wenn er in den Gesichtskreis
tritt, nicht unter seinem guten Namen eingeführt wird, sondern mit
einer Art von Feierlichkeit als „Le Maitre d’Ornans‘“, — sich zum Be-
suche der ihm nicht bekannten Heimat des Künstlers aufmacht, ist
vorerst überrascht, wie nahe sie bei unserm Lande liegt, und wie
anders sie ist. Pontarlier, 840 m hoch, hinter dem Fort de Joux, liegt
von dem schweizerischen Grenzpfahl nach Les Verrieres nicht mehr
als 10 km entfernt; Salins, am Weg nach Döle und Dijon, nur vier-
mal weiter westlich im französischen Land. Den Doubs mit dem See
von Les Brenets erreicht man von Le Locle in einer Stunde Fuß-
marsch, und dieser Grenze liegt Besancon 10 km näher als Basel bei
Zürich. Die Straßengabelung außerhalb Pontarlier führt rechts mit
zo km nach Ornans; halbwegs, bei Mouthier, zeigt ein hölzerner
Wegweiser den Abstieg ins enge Tobel zu der „Source de la Loue“,
wo der Fluß aus seiner breiten Grotte quillt. Von der Straße Le Locle-
Morteau, zweidrittel Wegs vor Besancon, zweigt links ein Sträßchen
von ı2 km nach Ornans durch das Tälchen der Breme und die Felsen
und Büsche des „Puits Noir“.
Das Viereck Pontarlier, Morteau, Besancon und Pontarlier, Salins,
Besancon schließt auch alle anderen Namen ein, mit denen Courbet
als Sohn und Maler der Freigrafschaft verbunden ist. Wenn das Land,
im besondern das Tal der Loue, von Frankreich aus gelegentlich Vorhof
der Schweiz genannt wird, so berührt uns fremd, daß die Täler schmal,
die Höhen breit sind. Die schweizerischen Juraketten verebben in flachen
Wellen zu weiten Hochflächen, die Felsabbrüche an ihren Rändern
lassen nur von unten her eine Berglandschaft erwarten. Auf den Höhen
dehnen sich einsame Weiden und dunkle Tannenwälder unter rauhen
Winden und Schneestürmen, die Täler sind buschige Schlupfwinkel
mit unwahrscheinlich farbig-klaren Wassern, die bald eilig rauschen,
bald breit ruhen, und mit sonnigen Hängen, die noch vor Jahrzehnten
ausgedehnte Weinhalden getragen haben. Die „Stadt““ dieses Landes
ist Besancon, im Nordwesten, noch 250 m über Meer, am Doubs, der
TI