von Hochmut, Ehebruch, Scheidung, Selbstmord, könnten durch
ihren Anblick allein vom Laster abhalten; in „Venus und Psyche“
geißelt Courbet die Lüsternheit und Heuchelei seiner Zeit. Er ist
nach Proudhon ein Träger der Entwicklung zu einer künftigen, noch
höheren Phase der Kunst, welche die sittliche Schönheit und die phy-
sische Schönheit vereinigen und die menschliche Schönheit hervor-
bringen wird, mitsamt der von Dogma und Religion unabhängigen
menschlichen Tugend.
Das Theoretisieren von Courbet ist eine einzige Anstrengung um
einen Ausweg aus den Verwicklungen, in die er durch die Vermen-
gung seines persönlichen künstlerischen Weltbildes mit der morali-
schen und politischen Weltanschauung seiner Freunde gerät. Er wehrt
sich, nicht immer glücklich, so gut er kann und schreibt etwa, schon
im November 1851: Man hat mich den sozialistischen Maler genannt,
ich nehme den Titel gernan, denn ich bin nicht nur Sozialist, sondern
ebensosehr Demokrat und Republikaner, mit einem Wort, Anhänger
der ganzen Revolution, und über allem Realist, das heißt, aufrichtiger
Freund der wahrhaftigen Wahrheit.
In seinem eigenen Bereich als Maler vor dem Modell und der Natur
weiß er vom Anfang bis zum Ende genau, was er will und muß. Zum
Abendakt bringt er riesige Rahmen mit derbem, ölgrundiertem Papier
und mächtige Beutel billiger Anstreicherfarben. Er mischt drei
Grundtöne, für das Licht, die Halbtöne und den Schatten, die reinen
Farben: breitet er als Fächer auf dem obern Teil der Palette aus und
malt mit Pinsel, Messer, Lappen, Daumen. Aber mehr als um den
Reichtum der Farben, kümmert er sich um ihre Harmonie. So studiert
er stückweise das Modell, nie malt er im Aktsaal eine ganze Figur.
Später, 1849, versichert er Francis Wey vor dem dunkeln Abendsitz
in. Ornans: „Ich sehe es so: man kann nicht eine Farbe künstlich
wiedergeben, deren Wirklichkeit man nicht erfaßt hat, das wäre ver-
fälschte Kunst, wie die von Ingres; wenn größere Helligkeit nötig
ist, werde ich daran denken, und wenn ich sie sehe, so wird es besorgt,
ohne daß ich zu wollen brauche“. Gegenüber Corot, der sein Motiv
sorgfältig sucht und wägt und meint, es handle sich vor allem um
die Gliederung in Massen, „des masses, et toujours des masses‘‘, soll
47