VI
Gegenüber dem fast unfassbaren Reichtum des Gesamt-
werkes von Corot bedeuten die im Zürcher Kunsthaus jetzt
vereinigten Bilder nur eine bescheidene Kostprobe, wenn auch
seit 1875 und 1895 eine ähnlich umfangreiche Ausstellung selbst
in Frankreich noch nicht wieder stattgefunden hat. Für den
Umfang nach der Zahl bestimmte der in Zürich verfügbare
Raum das Mass. Die Auswahl nach Inhalt und Art der Bilder
ist Vorsatz. Vermieden wurden die grossen „Salons“, die Bild-
nisse, die Andachtsbilder und die Dekorationen, die aus gewis-
sen Sammlungen wohlbekannten und in Reproduktionen weit
verbreiteten spätern „Stimmungslandschaften“ und Nymphen-
reigen, die Graphik in grösserem Umfang; gesucht die früheren
Landschaften aus Italien und Frankreich, Figuren und die
Arbeiten der letzten, grossen Reife. Die einzelnen Bilder fügen
mit den Angaben des Kataloges sich leicht in das in früheren
Abschnitten dieser Einführung umrissene chronologische Ge-
rüst und mit der besondern Art ihrer Erscheinung in den für
die Betrachtung aus bestimmtem Abstand nie stockenden,
geschmeidigen Ablauf von Wandlung und Ausbildung der
Corot’schen Form.
Die Gesinnung bleibt gleich. Grund-Sätze, die er schon
nach der Ankunft in Italien und immer wieder in Paris zur
eigenen Bestätigung vor sich und als Schild gegen den Ansturm
von aussen in neuen, dichteren Fassungen zu formulieren sich
bemüht, leiten ihn sein Leben lang, so lang er eben schafft:
“Ce qu'il y a ä voir en peinture, oü plutöt ce que je cherche,
C’est la forme, l’ensemble, la valeur des tons. La couleur, pour
moi, vient apres. — I faut interpreter la nature avec naivet&
30