Die Reihe der Werke aus den vor dieser Formulierung liegenden zwanzig Jahren zeigt die Stationen,
die ihn so weit geführt haben. Die Arbeiten von 1908/10 erinnern äußerlich an kubistische Bilder,
haben aber nicht die Entschiedenheit gleichzeitiger Arbeiten von Picasso und Braque. In den nach-
folgenden Figurenbildern und Landschaften sind wie in diesen ersten Werken die Einzelformen und
die an sich nicht unterdriickte Riaumlichkeit unter der weich malerischen Einheit und Tonschônheit
des Ganzen verschoben und verschleiert, ähnlich wie in wenig älteren Kompositionen des Wieners
Klimt. Leger ist aber größer in der Form und weniger naturalistisch. Die Farben lösen sich aus ihrer
Bettung und steigern sich zu unerhörter Intensität, die räumlichen Tiefenbeziehungen werden ersetzt
durch ein immer lebhafteres Zusammenspiel der Farben, Formen und Bewegungsrichtungen innerhalb
der Bildebene. Bald ist das Eigenleben der Bilder so stark, daß keine Kombination von Dingen aus
der realen Welt und auch die menschliche Gestalt, wenn sie wieder ıns Bild eintritt, es unterdrücken
oder fälschen kann; die Figuren werden auch zu Objekten, Gegenständen, welche ohne eigene Rolle
im Geflecht des Bildes dienen und im Spiel der Kräfte, das seinen Bau durchpulst. Gegen 1925
lockert Léger, wie zehn Jahre früher die malerische Verbindung der Töne, nun das zeichnerische Gefüge
durch einfaches Nebeneinanderstellen oder völlige Vereinzelung der Gestalten und Dinge, für die
nun aber die Bildebene nicht zu einer toten Leere, sondern zum füllenden und umfassenden Raum
wird, und ihnen einen höchsten Grad von körperlicher Festigkeit und Eindringlichkeit einer rein zu-
ständlichen — objektiven — Existenz gıbt.
W. Wartmann.
BIOGRAPHISCHE ANGABEN
JUAN GRIS wurde als José Gonzales am 23. Februar 1887 in Madrid geboren. Sein Vater war Kaufmann und
Haupt einer sehr zahlreichen Familie. 1906 verlieB Gris die technische Hochschule in Madrid, wo er sich zum Ingenieur
vorbereitet hatte, und trat ın Parıs in persönliche Verbindung mit Picasso. Während der ersten Jahre zeichnete er für
illustrierte Blätter und graphische Anstalten und bildete sich ohne äußere Schulung als Maler. 1912 stellte er erste
kubistische Bilder aus und arbeitete in der Folge im Kreis der Kubisten, zeitweise auch mit Matisse zusammen, in Paris
und am Mittelmeer. Von 1920 an hielt er sich wegen seiner angegriffenen Gesundheit im Winter in Südfrankreich, ım
Sommer in Paris und in der Touraine auf. Am 11. Mai 1927 starb er in Boulogne bei Paris.
FERNAND LEGER, geboren im Februar 1881 als Sohn eines Viehzüchters in Argentan in der Normandie, arbeitete
in Paris von 1898 an vorerst in einem Architekturbureau und als Retoucheur bei einem Photographen und besuchte
unregelmäßig die Ecole des Arts Decoratifs und einige Ateliers. Von 1903 an bildete er sich selbständig unter dem Einfluß
der jungen Bewegung und befreundet mit Gleizes, Delaunay u.a. 1910/12 trat er in den Kreis der Kubisten, welche
durch die Galerie Kahnweiler gefördert wurden, ohne sich ihrem Bekenntnis enger anzuschließen. Er machte den
Krieg als Sappeur mit und arbeitet seit 1918, auch für das Kunstgewerbe, das moderne Theater und den Kine-
matographen, ausschließlich in Parıs als Haupt einer Schule, deren Anhänger eben so sehr wie in Frankreich, in Deutsch-
land und Skandinavien sich finden.
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