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Von diesen Vorbedingungen ausgehend, hielten wir es für möglich, mit Hilfe
des italienischen Buches nicht nur unsere Kultur, sondern im weitern Sinne
auch das europäische Geistesleben in einigen seiner wichtigsten Aspekte zu be
leuchten.
Der Petrarca von Pogliano stellt nicht nur ein drucktechnisches Denkmal dar,
sondern diese italienische Übertragung der Biographien berühmter Männer
des Altertums zeugt in sprechender Weise von der nie vergehenden Liebe des
italienischen Geistes für die Antike, und vom Bedürfnis, den Kult des Römer-
tums möglichst weit zu verbreiten. Es wäre interessant den Erfolg einiger la
teinischer Autoren im XV. Jahrhundert zu verzeichnen, welche als markante
Vertreter der römischen Kultur gelten können. Livius und Ovid zählen im
Quattrocento zu den meistgelesenen Klassikern (102 Ausgaben der Werke Ovids,
die italienischen Übersetzungen inbegriffen, & 21 der Geschichten des Livius,
darunter illustrierte Ausgaben, die zu den schönsten italienischen Büchern zäh
len). Diese zahlreichen Ausgaben sind dem Humanismus zu verdanken, dem,
wie durch Vorsehung, in der Erfindung des Buchdruckes ein mächtiges Propa
gandamittel geboten wurde, und das Buch, welches nach unserer Ansicht die
Quintessenz der humanistischen Ideologie am besten zusammenfasst, ist fraglos
die Hypnerotomachia (Nr. 3 6) 2 5).
Als Gegenstück zur klassischen Literatur der Humanisten finden wir, die bürger
liche und in welcher sich folgende Richtungen unterscheiden lassen: die reli
giöse, die praktisch-philosophische, die wissenschaftliche und die künstlerische.
Stark vertreten ist die religiöse Tendenz, erstens weil sie sprachlich für Italien
von grosser Wichtigkeit ist, stammen doch ihre besten Autoren 24 ) wie Caval-
canti, Cavalca, Passavanti, die hl. Caterina von Siena (Nr. 37) fast alle aus der
Toskana; zweitens aber, weil diese geistlichen Schriftsteller so voruteilslos und
menschlich schreiben und ihre Werke dermassen lebendig und oft von politi
scher Leidenschaft erfüllt sind, dass sie dadurch ein getreues Bild des Geistes
ihrer Epoche geben können. Wer diese Schriftsteller kennt kann leicht begrei
fen, warum die Reformation in Italien keinen Fuss fassen konnte und warum
ihre Werke gerade in der Renaissance-Zeit zahlreiche Auflagen erlebten.
Von der praktisch-philosophischen Literatur geben wir als Beispiel den Trak
tat des Jacopo da Cessole, in seiner italienischen Bearbeitung. Dieses «Buch
des guten Tons», fremden Ursprungs und noch ganz mittelalterlichen Inhalts,
fand in Italien grossen Anklang (Nr. 25). Übrigens schöpft diese Literatur ihren
Stoff noch fast ausschliesslich aus Quellen des Mittelalters. So ist der schon
angeführte Aesop von Francesco dal Tuppo eigentlich ein mittelalterliches Pro
dukt, das während der Renaissance ans Licht kam, und dem, mittels Anspielun
gen auf gegenwärtige Persönlichkeiten und Ereignisse, der aktuelle Anstrich ge-