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zu können. Noch ist er zu sammeln, und ich gebe jedem
Liebhaber des Japanholzschnittes den dringenden Rat,
aufzukaufen, was immer von ihm erreichbar ist. Ich selbst
besitze eine grosse Zahl seiner Handzeichnungen, Vor
drucke und Farbschnitte.
Die Kunst war schier erschöpft. Sie bedurfte starker Sti
mulantia, um nicht als Kunst zu erlöschen. Da trat der
«Naturalismus» (wir würden vielleicht sagen: eine Mi
schung von Realismus und Symbolik) auf den Plan in der
Gestalt des riesengrossen Toshusai Sharaku, des ehemali
gen fürstlichen Noschauspielers. Seine gewaltigen Schau
spielerbildnisse mit ihren oft grauenvollen Wirklichkeits
linien gehören zu dem Grandiosesten, was die Kunst aller
Zeiten geschaffen hat. Er war in der Tat ein Koloss, zu
gleich ein Meteor, das furchtbar strahlend aufstieg und
nach kurzer Zeit versprühte. So tragisch, wie ich es früher
glaubte, ging sein Leben nicht zu Ende: Wir wissen seit
kürzester Zeit, seit vor zwei Jahren sein Grab entdeckt
worden ist, dass er, nachdem er den Malerpinsel wegge
worfen, wieder Noschauspieler geworden ist. Aber es war
doch tatsächlich tragisch genug, dass der Unwille seiner
Zeitgenossen ihn zum Abschied von seiner gewaltigen
Kunst bewogen hat.
Sein Erbe führte der bekannteste und im Abendland sicher
berühmteste aller Meister fort, Katsushika Hokusai (1760
bis 1848), dessen Name bereits der allgemeinen Kunstge
schichte angehört. Er war Plebejer durch und durch. Kei
ner, wie er, hat die derben Gesichter breiter Volksmassen
so verblüffend getroffen. Aber Damen hat er nie zeichnen
können. Seine Frauentypen könnten wir entbehren. In der
Abneigung gegen die holde Weiblichkeit gleicht er Adolf
Menzel, den er aber vielleicht noch an Fleiss, sicher an
Fruchtbarkeit übertraf. Tiefe Tragik in seinem Leben! Der
Uralte musste oft darben und irrte unstät im Lande umher,
ein Oedipus, den seine kunstbegabte Tochter führte. Was
ihn für alle Zeiten bedeutend macht, sind seine Skizzen
bücher (Mangwa u. a.), in denen er mit Bewusstsein auf