Volltext: Ausstellung Lovis Corinth

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Die zwölf Platten der «Legenden», meist in gestrecktem Breit 
format bildmäßig komponiert, mögen vorerst äußerlich die Er 
innerung an die «Tragikomödien» wecken. Sie sind aber in jedem 
Sinne freier, von übernommenen Formeln entbunden, bis zum 
äußersten Winkel und letzten Strich mit schwingendem Leben 
gefüllt. Licht, Bewegung, Schlagkraft des Einfalls wirken statt 
ruhender Form und wohl berechneter Komposition. Der Rück 
blick bis zu den Tragikomödien ist kaum notwendig; schon ein 
Vergleich des Bogenschützen im Odysseusblatt mit der Radierung 
von 1914 überzeugt. Der Held hat hier wenig mehr von statu 
arischer Monumentalität. Tiefer kniend, leidenschaftlicher zu 
sammengebogen, scheinbar weniger sorgfältig gezeichnet, besitzt 
die Figur nicht mehr das Eigenleben der schönen Linie, dafür 
ist das Leben in sie eingedrungen, sie selber mit den übrigen Ge 
stalten völlig verbunden, in das Gefüge des ganzen Blattes ein 
geschmolzen. Im «Orpheus» wirkt der tragische Sänger als Kari 
katur. Je weniger bestechend er selber ist, um so größer muß 
die Gewalt seiner Kunst sein, die die Tiere aus der Wildnis sanft 
herbeilockt und eine Gesellschaft von Riesenkatzen friedlich zu 
Füßen des Bauernjungen sich lagern läßt. Die «Erziehung des 
Achill», ausnahmsweise im hochgestellten Viereck, lebt im Kon 
trast von weiß und schwarz; der Wildbach legt einen leuchtenden 
ovalen Rahmen um das dunkel struppige Halbtier, der Kentaur 
wieder ist, auch farbig, Folie für den Heldenjüngling. Ungebärdiges 
Geschrei und Gezappel, ängstliches Zureden, Tanz und Getöse 
ist die Handlung in der «Jugend des Zeus»; der Künstler zeichnet 
die Bewegung und die Mienen der Spieler und läßt das ganze 
Viereck im aufgeregten Geflimmer von Hell und Dunkel mit 
klingen. In einer hellen Sommerlandschaft erfahren die drei 
Göttinnen den Spruch des Paris. Wie der Künstler den Vorgang 
wertet, so stattet er das Bild aus nach Rhythmus und Gewicht. 
Vor die antike und halbantike Welt tritt Corinth auch weiter 
hin mit heiterer Überlegenheit und unbeschwerter Hand; im 
«Trimalchio»; in dem Blatt «Apoll und die Musen» mit dem Ballet 
der schwebenden Charitinnen über der schönen Gruppe der drei 
Grazien, vor dem männlichen Apoll; in den Einfällen zu den 
Dafnisliedern von Arno Holz. Tief eingekratzte Schwärzen und 
geschmeidige Arabesken umspielen das Thema und prägen es
	        
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