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Zur Technik der Radierung.
Vervielfältigende ästunst, von den primitiven Arten der Grifselkunst,
wie trockene und nasse Zeichnung, unterscheiden sich Kupferstich, Holzschnitt und
Steindruck als vervielfältigende verfahren. Das eine, vom Künstler geschaffene
Original wird nicht als solches in seiner nur einmal bestehenden Urform dem
verkehr übergeben, es ist bloß das Mittel zur Herstellung des in den Verkehr
gelangenden „Kunst-Blattes", eines Originales zweiten Grades, in beliebig vielen
tviederholungen. Das eigentliche Original, die massive, plastisch dreidimensional
bearbeitete p l a t t e liefert die marktfähige Uebertragung, den Abzug auf Papier
oder Gewebe, mit seiner auf zweidimensionale graphische oder malerische Wirkung
berechneten Darstellung.
Druckverfahren. Sür den Buchdruck werden die Lettern erhaben ge
schnitten, mit Schwärze eingefärbt, das Papier darüber geführt. Die Släche
druckt, die Vertiefungen sparen aus. Dieses Prinzip des Buchdruckverfahrens,
der Hochdruck, bestimmt das Wesen des Holzschnittes.
Beim Schriftstich hingegen wird die Schrift in eine Ebene eingegraben, die
Vertiefungen werden mit Sarbe gefüllt, die Släche bleibt frei. Die Vertiefungen
drucken, die Släche spart aus. Dieses Verfahren, der Tiefdruck, bezeichnet
das Wesen des Kupferstichs in seinen verschiedenen Sormen.
Der Unterschied beruht nicht im Material der Platte, sondern in der Art
ihrer plastischen Bearbeitung und des Druckverfahrens. Ls gibt Metall-Schnitte
(Zeichnung erhaben und druckend, Slächen vertieft und blind), so gut wie Holz-
Stiche (Zeichnung im Holz eingegraben und druckend, Slächen erhaben und blind.)
Die Platte. Die auf die unbearbeitete Stäche übertragene Zeichnung wird
auf der Hochdruckplatte (Holz od.Metall) mit Messern in Schnitzarbeit oder durch
chemische Mittel freigelegt, so daß ihre Linien und Stächen erhaben stehen bleiben.
Die Zeichnung der Tiefdruckplatte wird in die Släche eingegraben. Die
trockenen oder „kalten" Verfahren bedienen sich dazu ausschließlich der mecha
nischen Wirkung des Grabstichels und der Schneidenadel. Der vom Künstler
geführte Stichel hebt Spähne aus der INetall- (Holz-) oder Lelluloid-Platte, die
Nadel ritzt sie oberflächlich. Mit den so erzielten Vertiefungen ist die Platte für
den Druck gebrauchsfertig.
Das „nasse" Verfahren der Radierung, die Aetzung, verwendet zur Bear
beitung der Platte mechanische und chemische Mittel. Die blanke Metallsläche,
meist Zink, Kupfer oder Stahl, wird mit einem Harzfirnis, dem Aetzgründ,
bedeckt. Mit der Radiernadel als Metallgriffel zeichnet der Künstler auf
dem hart gewordenen Sirnis und ritzt ihn bis auf den Metallgrund. Das Aetz-
wasfer (Salpetersäure, Cisenchlorid, Salzsäure), dem die so bearbeitete Platte
nun ausgesetzt wird, greift das INetall an den bloßgelegten Stellen an und
vertieft die durch die Nadel gezogenen Linien; die vom unverletzten Sirnis
noch bedeckten Teile der Platte bleiben unverändert glatt. Nach vollständiger
Entfernung des Sirniffes ist die Platte mit vertiefter Zeichnung wie die Stichel
platte zum Druck bereit. Die nur einmal geätzte Platte zeigt eine gewisse
Einförmigkeit; eine schwach geätzte Platte druckt überall schwach, eiue stark
geätzte überall schwarz. Abwechslung in der Stärke und Abstufungen der Tiefen