5
setzt ohne sie zu verreiben, so geht er nicht, wie die
Impressionisten, bis zur Zerlegung der zusammenge
setzten Farben in ihre Elemente, sondern verwendet
Violett, Grün und andere Mischtöne als solche. Die
Wirkung ist von der impressionistischen Malerei kaum
verschieden. Ohne Umrisslinien erzielt er den Ein
druck von Fläche und Tiefe, trotz des gedämpften
Lichtes werden seine Bilder nicht grau, sondern be
halten die volle Farbigkeit. Bei längerem Verweilen
durchdringt das Auge den flimmernden Schleier, den
die Dämmerung über seine Palastfronten und Haus
plätze legt, die Farben erhellen sich, die Gegenstände
treten in milden Umrissen massig hervor.
Aman-Jean überträgt die Empfindsamkeit Le Si-
daners auf das Figürliche. Alle seine Frauengestalten,
in weiten, weich fallenden Gewändern, ob sie nun
unter Bäumen wandeln oder in einen Sessel geschmiegt
sind, äussern in Haltung und Miene eine resignierte,
oft überzarte Anmut. Gedämpft und fein sind auch
seine Farben, Grauschwarz oder Graublau mit Rosa
und Blaugrün; Aman-Jean malt vorzugsweise in Pastell,
pastellmässig bleibt seine Zeichnung auch in den
Oelbildern. — Das einzige kleine Bildnis unserer Aus
stellung ist allerdings nicht der Art, dass es vom Gesamt
werk des Künstlers eine hinlängliche Anschauung ver
mitteln könnte. Als einzelnes Bild, für sich betrachtet,
wird es immerhin sich selbst zur Geltung bringen.
* *
*
Kein bloss rezeptives, gefühlsmässiges Verhältnis zu
jedem einzelnen Bilde für sich wäre ja überhaupt das
Schönste und Richtigste, was als Kunstgenuss sich denken
Hesse. Ueberall und immer stellen aber Reflexion und
Kritik nur allzu rasch sich ein und lenken ab, von einem
Werke zum andern und zum gemeinsamen Ursprung.
Jenen Kunstfreunden, die in jedem einzelnen Werke
gleich auch die künstlerische Persönlichkeit seines
Schöpfers glauben ergründen zu müssen und zu können,
sei noch einmal gesagt, dass auch der im Künstlerhaus
am reichsten vertretene Cottet neben den gegenwärtig
ausgestellten Bildern noch andere gemalt hat, und
malen wird. W. W.