an Grasset; von ihm allein stammt die neue idealistische und dekorative
Renaissance her. Sein Einfluß war in Paris bereits lebendig, lange bevor
von jenseits des Kanals der Ruhm dekorativer Offenbarungen herüberdrang.
Wenn man heute nur mehr mit Lächeln von der alten Bezeichnung spricht,
die unter dem Begriff der „Kleinkunst" alles umfaßt, was nicht Architektur,
Malerei oder Skulptur ist, so dankt man es seiner Lehre und seiner Propa
ganda durch Wort und That .... In welchem Lande immer das Evan-
gelium verkündet wird, das sowohl die dekorativen Künstler, wie Grasset
und W. Crane, als auch die Tondichter, Richard Wagner an der Spitze,
predigen, das Evangelium der Einheit der Kunst mit dem Leben wird
überall gehört."
Was Grastet zu dem gemacht hat, was er geworden ist, das ist aus
der einen Seite seine ungewöhnlich tief und weit dringende ästhetische Bildung,
aus der andern eine, in diesem Maße kaum einem Zweiten unter den Lebenden
gegebene Beherrschung der technischen Mittel seiner Kunst. Er ist Architekt,
Ornamentist, Freskist, Illustrator, Kunst-Tischler, Schmied, Glasmaler. Er ist
und will vor allem sein, was die Alten waren: ein sublimer Handwerker.
Alles, was er berührt, wird zum reizvollen Kunstwerke, und nichts ist ihm
zu gering. Die Architektur, die er in Zürich unter Semper studierte, bildete
die solide Grundlage seiner Aesthetik. Bewußt geht er auf die Idee der
Alter: zurück, die den Architekten als Ordonator aller andern Künste bestimmt
und dem Allgemeinen das Einzelne, d. h. Bildwerk und Statue unterordnet.
Und in geschmeidigster Anpassung an das moderne Leben übersetzte er diese
Theorie in die Praxis. So gewannen seine in einfachen Linien und starken
flachen Tönen komponierten Plakate die stille Größe und erhabene Bescheiden
heit der Freske, die in den heutigen Lebensverhältnissen fast zur Unmöglichkeit
geworden [ist. So gelang ihm, wie keinem seit dein 16. Jahrhundert, den
großartigen, imposanten Stil, den prunkvollen Reichtum der Glasmalerei zu
■ erneuern, wieder zu beleben. So gelang ihm, das Landschaftsbild in eine
stilvolle Wanddekoration zu übersetzen, die neben den feinsten japanischen
Drucken sich sehen läßt. So wird dem stolz Bescheidenen aus einem Kalender,
einer Einladungskarte in Stil und Geschmack ein Kunstwerk. Sein univer
seller Geist scheint alle Civilisationen durchstöbert und sich zu eigen gemacht
zu haben; tief bis in die romantische Ornamentik gehen seine starken Wurzeln.
So steht er, trotz allei: Einflüssen, die Macht über ihn gewannen, im Kern
seines Wesens eine alpine Natur, .in seiner Universalität, schaffend und lehrend,
als einer jener Meister vor uns, wie wir sie seit der Früh-Reuaissance zu
schauen entwöhnt waren.
Louise Catherine Breslau.
Louise Catherine Breslau ist den Zürchern bekannter, obwohl
sie in erster Jugend diese Stadt verlassen, um in Paris, wo nach ihrer
Ueberzeugung die edelste Tradition bildender Kunst in ununterbrochener