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gung war auf die Dauer ein Schaden doch nicht
anzutun und die ganz starken Begabungen, auf
deren Schultern der Ruhm deutscher Kunst heute
ruht, haben sich trotz allem durchgesetzt. Die
Verhältnisse lagen schliesslich ein wenig ähnlich,
wie die in Frankreich: Die schöpferischen Kräfte
der grossen Neuerer siegten auf die Länge der
Zeit doch über alle Widerstände, und die Revo
lutionäre von gestern sind die Klassiker von heute
geworden.
Um einen Überblick über die Höhepunkte
der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts zu
geben, erscheint es angebracht, an die Anfänge
und die teilweise unterirdischen Quellen dieser
Kunst zu erinnern.
Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts
standen in Deutschland durchaus im Zeichen des
Nazarenertums und der Romantik. Die herrschende
Kunstgesinnung war nach dem Gedanklichen, der
Idee, orientiert, nicht nach dem Sinnlichen, der
Anschauung und der Erscheinung. Ideale einer
vermeintlich frommen Vergangenheit, wie sie die
Zeit der Renaissance vor Rafael zu verwirklichen
schien, und Träume vom deutschen Mittelalter
sollten in der Malerei Gestalt gewinnen. Neben
solchen Zielen hatte die gesunde Wirklichkeits-