Full text: Kunst der Gegenwart : Werke im Ausstellungsgelände am See und im Zürcher Kunsthaus, 27. August-29. Oktober (2)

Am See soll die bildende Kunst nicht selbständig 
in Erscheinung trefen und gewürdigt werden, wohl aber gegen- 
wärtig sein, indem sie „die ganze Landesausstellung durch- 
dringt". Die Themen sind andere als künstlerische, der 
Stoff soll aber durch künstlerische Fassung und Durchsetzung mit 
Werken der bildenden Kunst genießbarer, verständlicher und fest- 
lich gemacht, veredelt werden. Große Skulpturen und Wandbilder 
außen und im Innern von Gebäuden erscheinen als Kapitelüber- 
schriften oder mächtige Initialen zu den Hauptthemen, welche die 
Ausstellung speisen und gliedern. Kleinere Werke betonen Unter- 
abschnitte oder reihen sich da und dorf schmückend ein. Ueberall 
soll aber der vaterländische, soziale, wissenschaftliche oder wirt- 
schaftliche Gedanke, die architektonische und dekorative Einheit, 
in die sie eingespannt sind, so stark, wenn nicht stärker wirken als 
die Werke selber; wie in den goldenen Zeitaltern der Kultur, da 
nach der schönen Vorstellung Zweck und Form auch in ihren 
höchsten Aeußerungen von innen her wie nach außen stets nur 
Eins gewesen wären. 
Es blieb ihrer selbst weniger sicheren, aufgelockerten Zwischen- 
Zeiten und auch wieder unserer beunruhigten Gegenwart vor- 
behalten, das Künstlerische gelegentlich auch zu isolie- 
ren, es als Prinzip, befreit von jeder andern Pflicht als eben 
Kunst zu sein, zu erkennen und anzuerkennen; gelegentlich dem 
Priestertum der Vergangenheit, der Kirche aller Zeiten, der 
Staatsgewalt und andern Machtansprüchen zu Dienst geschaffene 
Mittel für Einschüchterung oder Ueberredung, als Kunstwerke des 
Wortes und Gedankens, des Klanges, der Linie, Farbe und der 
gegliederten Massen, gelöst von dem uns nicht mehr verbindlichen 
ursprünglich-unmiftelbaren Zweck, als Zeugnisse nur künstlerischer 
Inspiration und Ordnung zu genießen, und uns durch sie auf die- 
sem Wege nun zum Guten zu erheben; oder: auch ohne Auftrag 
von außen und Sorge um unmittelbare Verwendung des Ergeb- 
nisses, in die Luft hinaus, zum Himmel, zu dichten, zu singen, 
zu malen. Für solche nicht außerkünstlerischen Zwecken dienende, 
— um nicht zu sagen absolute — freie Kunst will die Aus- 
stellung im Kunsthaus Zeugnis und Bewährung bedeuten. 
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