furchtsvoll übernommen. Aber wenn auch das Vorbild in sich
unverändert vor jedem der sich folgenden Betrachter liegt, so
sieht das Auge des Späteren beim Wiedergeben anderes als künst-
lerische Verpflichtung, als was der Urheber, da er das Vorbild
schuf, als innerstes fühlte und schaute; nie wird der Künstler von
einem Andern einmalig geschaffenes noch einmal, sondern nur
aus fremdem und schon vorhandenem so bewußt als unbewußt
wieder eigenes und neues, andersartiges schaffen.
Wer beim Betrachten von Kunstwerken aus verschiedenen zeit-
lichen oder geographischen Regionen, auch von verschiedenen
Künstlern aus gleichen Zeiten und Ländern, derartiges einmal
bestätigt gefunden und empfunden hat, hat einen Schlüssel, der
ihm allüberall, nicht nur in einer Ausstellung wie der unseren,
anderes Begreifen erschließt als Schulbegriffe, und ihn vor Un-
empfänglichkeit für unerwartete künstlerische Form so ernsthaft
warnt wie vor schnellfertiger Überheblichkeit.
IV.
Das Neben- und Ineinander der beiden Mächte, Kirche in Rom,
Staat im Norden, bleibt, oft so sehr Gegen-einander wie Mit-einan-
der, durch das ganze hohe Mittelalter ein Richt- und Mittelpunkt
von Politik und Kultur. Der kirchentreue Sohn von Karl dem Großen
heißt Ludwig der Fromme, ein Enkel wieder Ludwig der Deutsche.
Der deutsche König wird Kaiser erst mit der römischen Krone
und Weihe durch den Papst. Wenige haben die Romfahrt unter-
lassen, zeitweise verbieten sie aber Unruhen diesseits der Alpen
oder Schwierigkeiten in Italien.
962 erneuert Otto der Große sich in Rom die Kaiserwürde und er-
richtet mit der Vereinigung der römischen und der deutschen
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