Als richtiger Peintre-Graveur löst aber in den nächsten Jahren Emile Bernard sie ab.
Er zeichnet und schneidet nach eigener Erfindung für die « Amours» von Ronsard den
Buchschmuck und die ganze Schrift auf dem Holzstock und gibt dem Band noch sechzehn
radierte eigene Kompositionen ausser Text. Die ganze Auflage seiner 51 Umrissholz-
schnitte zu Homer koloriert er, 7650 Blätter, mit eigener Hand.
Die Grundsatztreue der organisierten Bücherfreunde hatte sich vorerst auch gegen Rodin
und seine Lithographien zum «Jardin des supplices» von Octave Mirbeau gewendet.
Dichter und Zeichner finden keinen Verleger und kommen zu Vollard, der glücklich die
Aufgabe löst. Ihm gehört der Einfall, von den weithin verstreuten und gefährdeten Mono-
typien von Degas je eine Auswahl als Illustrationen zu der « Maison Tellier» von Mau-
passant und den Hetärengesprächen des Lukian zu fassen und durch einen reproduzieren-
den Künstler in Aquatinta übertragen zu lassen, um sie in dieser Form gleichermassen
der Umwelt zu erschliessen und der Nachwelt zu erhalten. Im « Dingo» von Octave Mirbeau,
mit Pierre Bonnard und in der « Belle-Enfant » von Eugene Montfort, dieser straff wie
eine Schicksalstragödie gebundenen Verherrlichung von Marseille, mit Raoul Dufy,
lässt er in ihr gemässer Form die Radierung für Text- und Einzelbild den Holzschnitt
und die Lithographie ersetzen. Picasso kehrt noch einmal zurück zum Holzschnitt —
aber welcher Art Holzschnitt - im Text und zur Radierung für die selbständigen
Kompositionen.
Viel weiter als er und Dufy geht Georges Rouault auf dem Weg nach neuem Ausdruck,
mit breiten Pinselzeichnungen, die er selber in einer Mischung sämtlicher Techniken auf
grosse Kupferplatten eingräbt und ätzt, oder in flächigem Holzstich übertragen lässt.
Die Schwierigkeiten der Kriegszeit lassen Vollard auch einmal vom Grundsatz der künst-
lerischen Hand auch für Übertragung, nicht nur eigene Erfindung, abgehen: die Tusch-
zeichnungen von Jean Puy zu seinem ersten Pdre Ubu werden in photochemischer Zink-
ätzung gedruckt. Der grössere Pere Ubu, ein Lehrer-Schatten aus Vollards Gymnasial-
zeit, erlebt seine « Wiederverkörperung» nach dem Text von Vollard in der dämonischen
Vorstellung und der schweren Hand von Rouault.
Wie seinen alten Lehrer im Pere Ubu, beschwört Vollard in der Heiligen Monika als
Mutter des lebensfreudigen, erst später heiligen Augustinus die Gestalt einer Tante
No&mi seiner Kinderzeit, und in der afrikanischen Heimat des Heiligen sein eigenes
Jugendland auf einer fernen Insel, aber auch die Pariser Lebens- und Denkart seines
Mannesalters.
Seiten und Bilder aus den Büchern von Ambroise Vollard füllen zur Zeit mit dem Glanz
ihrer künstlerischen Ausstattung und Durchdringung im Zürcher Kunsthaus drei Erd-
geschossräume der Graphischen Sammlung und die Wände und Galerien des Lesesaales,
in Gruppen gegliedert nach ihrer zeitlichen Zusammengehörigkeit. In absehbarer Zeit
wird eine zweite, nicht weniger reiche Ausstellung der Werke folgen, die beim Hinschied
von Ambroise Vollard vor dem Abschluss standen. Lucien Vollard hat auch diese nach
ihrer nun von ihm betriebenen Fertigstellung dem Kunsthaus, der Stadt Zürich, den
schweizerischen Kunstfreunden, als Schenkung zugedacht. W. Wartmann.