und agierender Faktor des Bewegungseindrucks ist, selber ins
Kreisen gerät, ihren «sens giratoire» hervorkehrt. — «Eines
Tages begegnete ich dem Kernproblem der Farbe, Es begann
die Periode der „disques simultanes“, der zirkulären Formen,
wo die Farbe in ihrem kreisenden Wesen verwendet ist und
die Form sich aus dem zirkulären dynamischen Rhythmus der
Farbe entwickelt.»
Gegenständlich handgreiflich sagen die Figurationen nichts
aus; ausdrucksmäßig jedoch — darauf deutet schon der Zusatz
im Titel: «Soleil, Lune> — veranschaulichen sie nach den
Intentionen Delaunays ein kosmisches Geschehen, «die Rhyth-
mik, die durch Welt und Sein hindurchgeht> (Haftmann).
Wiewohl Delaunay in seinem späteren Schaffen wiederholt
zu unmittelbar gegenständlich erkennbaren Gestaltungen zu-
rückgekehrt ist, blieben die kreisenden Formen sein Leitmotiv.
Vereinzelt hat er sogar die Bildform selber in Kreisform gehal-
ten und somit den reinen Tondo realisiert, jene Bildform, die
in Florenz, und nur in Florenz, als Inbegriff eines auf Verein-
zelung, Loslösung und Verselbständigung gerichteten Kunst-
wollens allgemeinste Geltung beansprucht hat und die im
20. Jahrhundert auf breiter, systematischer Basis beispiels-
weise bei Glarner eine noch nicht genügend erkannte und
gewürdigte Auferstehung feiert.
Sein Leitmotiv hat Delaunay bis zur Ermüdung wieder-
holt und abgewandelt; kein Zweifel, daß die letzten Jahre
seines Schaffens einen Abfall bedeuten. Aber noch in den
Dekorationen, die Delaunay für den Palais de l’Aeronautique
und den Pavillon des Chemins de Fer an der Pariser Welt-
ausstellung von 1937 malte, erscheinen die «Formes circu-
laires» als ins Riesige und Gigantische gesteigerte Symbole
der expansiven Kraft des technischen Zeitalters gleicher-
maßen wie als namenlos kosmische Zeichen, wiederum als
«rythmes sans fin creant des architectures, des disposıtions
orchestrees, se deroulant comme des phrases en couleurs».
Eduard Hüttinger
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