Das Kunsthaus war im Jahre 1974 in hohem Mass vom Glück begünstigt;
wir sagen Glück, denn das Verhältnis von Glück und Verdienst hat zwar
die Menschheit von früh an aufs lebhafteste beschäftigt und in Mythen,
Bildern und Philosophien einen Niederschlag gefunden, ohne dass es über
die Feststellung der Unberechenbarkeit des Glücks zu einer Lösung ge-
kommen wäre. Wir jedenfalls sind uns nicht bewusst, dass wir uns in
weniger begünstigten Jahren weniger angestrengt hätten als im Berichts-
jahr. So werden wir gut tun, das günstige Resultat dieses Jahr mit Grazie
(im italienischen Sinn) entgegenzunehmen, ohne mit Boethius in vorgrei-
fende Klagen «de instabilitate fortunae» auszubrechen, aber auch ohne
uns blenden zu lassen, das Bewusstsein bewahrend, dass man Einzelfälle
nicht als statistische Norm nehmen kann und darf, Wir werden also weiter
unser Möglichstes tun, auch wenn, was zu befürchten ist, magere Jahre
nicht ausbleiben werden.
Wenn wir uns den Fakten zuwenden, dürfen wir sagen, dass über 300 000
Personen im Jahre 1974 das Kunsthaus besucht haben, was in dessen Ge-
schichte noch nie vorgekommen ist und also einen Rekord darstellt. Grös-
sere Besucherzahlen hat nur das Verkehrsmuseum in Luzern in der
Schweiz zu verzeichnen.
Die ausserordentliche Zahl der Besucher des letzten Jahres erweist einmal
mehr, dass die temporären Ausstellungen mit ihrem Aspekt der Aktualität
und des Einmaligen eine entscheidende Rolle beim Kunsthausbesuch spie-
len. Wir begegnen ja auch im Ausland — so etwa letzthin anlässlich der
Impressionisten-Ausstellung in Paris oder der Turner-Ausstellung in
London — immer wieder dem Phänomen, dass das Publikum vor einer
Ausstellung Schlange steht, um Dinge zu sehen, von denen ein guter Teil
jederzeit ohne Gedränge in den Sammlungen der betreffenden Stadt zu
besichtigen wäre. Das sei nicht als Einwand gegen Ausstellungen verstan-
den, es weist lediglich auf die Tatsache hin, dass das Kunsthaus nach wie
vor darauf achten muss, möglichst viele und möglichst attraktive Ausstel-