DIE BILANZ DES MARLOH-PROZESSES
Preisfrage: Wer wird den Wechsel unterschreiben?
V/v*& aV m
Obiger Prima-Wechsel soll dem Retter von Berlin nach überstandener Festungshaft ein sorgenfreies Zivildasein sichern
sich z. Zt. noch um die Ehre, den Wechsel zu unterzeichnen.
Die Redaktion der „Pleite“ fordert daher die Öffentlichkeit auf, diesbezügliche Vorschläge einzusenden. Die beste Zuschrift wird veröffentlicht und mit
prämiert. Einsendungen bis spätestens 1. Januar 1920. Preisrichter: W. HERZFELDE, G. GROSZ, J. HEARTF1ELD.
Verschiedene hochgestellte Persönlichkeiten streiten
100 Mark
1.
Willi war ein feiner Pinkel
ITnfLverkrümelt sich irn Winkel!
Hindenburg muß sich noch schonen
Nach den Riesen-Ovationen.
Blut seh’n nimmt die Nerven mit,
Wird’s zu bunt, geht man verschütt!
Denn wer die
Ordnung kennt und sich nicht drückt,
Der is varückt! — — —
Überhaupt seit Majestät von den Schrecken seiner
Regierung in Holland Erholung sucht, gilt das Auto als
Beförderungsmittel der Justiz in Offizierskreisen für hoch
feudal. Und wer trotz der Bahnsperre verreisen will, aber
den Mut nicht zum Schieber .hat, der wende sich zwecks
diskreter Aufträge an die Regierung und
Gleich mit Auto steht die Schmiere
Vor der Türe
Warnt „von oben“ durch Kassiber
Mein Lieber! Geh’n se rüber!
Mensch! Dicke Luft!!
Vaduft’I!
Ein frisch-fröhliches Waidwerk und zugleich eine
heldisch-germanische Tat des königlich preußischen
Offiziers, Oberleutnant Marloh, war es, was in jenem
mehrtägigen Kameradschaftsfest im Berliner Kriminal
gericht gefeiert wurde. Es ist denn auch ganz in
der Ordnung, daß der Festredner, Kriegsgerichtsrat
Dr. Meyer in seinem Toast zu Ehren des Kameraden
und Freundes Marloh der Jägersprache und (nach
dem erhabenen Beispiel Seiner Majestät von Amerongen)
heroparalytischer Kernworte sich befliß. In eherne
Tafeln grabe man — um eine kleine Auswahl zu
treffen — folgende von echter Nibelungentreue zeu
genden Sätze, mit denen der Doktor den Oberleut
nant pries:
1. „Marloh dachte woll bei sich: so mancher brave
Kamrad is durch die Matrosen um die Ecke
jebracht worn, so soll’n man auch ’n paar von
ihnen über die Klinge springen.“
(Auch sonst schwebte gar heiterer Jagergeist über
dem Fest: so sprach der Herr Vorsitzende, Kamrad
Welt, des öfteren von dem Fangschuß, den die
Jiutomobiljuftiz
(Alle Rechte Vorbehalten.)
2.
Leutnant Vogel zeigt Manieren,
Läßt sozial sich patentieren.
Runge nach der Mordbetät’gung
Ruht sich aus bis zur Bestätigung.
Blut seh’n nimmt die Nerven mit,
Wird’s zu bunt, geht man verschütt!
Denn wer die
Ordnung kennt und sich nicht drückt,
Der is varückt.
wie z. B. der Feldwebel Otte, der mit seinen Gewissens
bissen der Gerechtigkeit im Magen liegt, statt sich von ihr
füttern zu lassen. Noch ehrt das Vaterland seine Helden
söhne, ein Wink! und
Gleich mit Auto steht die Schmiere
Vor der Türe!
Warnt „von oben“ durch Kassiber
Mein Lieber! Geh’n se rüber!
Mensch! Dicke Luft!!
Vaduft’! !
3.
Räterepublik in München!
Kommts mal anders, als „sie“ wünschen,
Mit der Ordnung „Marke Standrecht“
Macht man jeden Terror mundrecht.
Blut seh’n nimmt die Nerven mit,
Wird’s zu bunt, geht man verschütt!
Denn wer die
Ordnung kennt und sich nicht drückt,
Der is varückt.
Jawohl varückt, denn es handelt sich nicht um die Ab
schlachtung im katholischen Gesellenverein, sondern um
die Sühnung erschossener Mitglieder der duften Thule-
Gesellschaft m. b. H. Was dem einen seine Vertiertheit, ist
dem andren sein medizinisch begutachteter Blutrausch.
Vollzug des Todesurteils in drei Stunden mittels Automobil
justiz, aber
Gleich mit Auto steht die Schmiere
Vor der Türe!
Warnt „von oben“ durch Kassiber
Mein Lieber! Geh’n se rüber 1
Mensch! Dicke Luft! !
Vaduft’! !
braven Feldgrauen den noch nicht ganz toten
Matrosen gewährt hatten. Die Red.)
2. „Marloh sachte sich woll: Ich kann ja nich
nach Hause jehn, ohne einen an die Wand
jestellt zu haben.“
3. „Marloh wurde der Vorwurf der Schlappheit
jemacht, jibt es einen Vorwurf, der einen jungen,
bewährten Offzier ärjer treffen könnte!?“
(Kann nur mit Blut abgewaschen werden, selbst
verständlich mit dem der Kerls. Die Red.)
4. „ . . . da rang Marloh sich zur Tat durch.“
(Diederichs Verlag, Jena, wird seine Freude an
Meyerloh haben. Die Red.).
5. „Es wird jut sein, hier jroßzügig zu verfahren,
damit das Volch sieht, daß man es mit
Liebe bejechnet.“
(Diese Aufforderung ist durch die Tat überholt:
hat doch Marloh nur aus Liebe und Großzügigkeit
den 29 Matrosen den Kummer erspart, die „Zeit
völkischen Niedergangs und der Verjudung deutschen
Wesens“ zu erleben.) Franz Schulz.
Kommandiert zum Kesseltreiben!
Rebellion der Schützenscheiben.
Wirft man in die Unschuldskluft sich
Ab dafür!! Par’graph einundfuffzig.
Blut seh’n nimmt die Nerven mit,
Wird’s zu bunt, geht man verschütt!
Denn wer die
Ordnung kennt und sich nicht drückt,
Der is varückt.
oder ein Opfer der Disziplin oder Duellforderung contra
Glaubensbekenntnis oder, wenn 31 Matrosen irrtümlich er
schossen sind, gehört der eine Überlebende vors Kriegs
gericht. Die Republik sorgt für Fortsetzung bis zur
Beseitigung jedes revolutionären Denkens und sichert für
absehbare Zeit die Aktualität des Refrains:
Gleich mit Auto steht die Schmiere
Vor der Türe!
Warnt „von oben“ durch Kassiber
Mein Lieber! Geh’n se rüber!
Mensch! Dicke Luft!!
Vaduft’!!
WALTER MEHRING
(wenn Marloh nebst Anhang Kommunisten, die erschossenen
Matrosen hingegen Noskitos gewesen wären).
Wegen Mordes in 29 Fällen zum Tode
und wegen Mordversuchs in einem Fall zu
15 Jahren Zuchthaus verurteilt:
1.—8. Acht Soldaten, welche den Befehl ausführten,
9. Leutnant Penther,
10. Oberleutnant Marloh.
Wegen Anstiftung zum Mord in 150 Fällen
zum Tode verurteilt:
11. Reichswehrgruppen-Kommandeur Exzellenz v. Lüttwitz,
12. Hauptmann von Steuben,
13. Oberleutnant Wehmeyer,
14. Hauptmann von Kessel,
15. Oberst Reinhard,
16. Reichswehrminister Gustav Noske
(soweit man Obengenannte nicht schon uorher aut
der „Flucht" erschlagen hätte).
W. H.