Die Kulisse.
57
selbst der vertrackteste Bösewicht. Daß jegliche Handlung und
jegliche Meinung, selbst die gewagteste und absurdeste, müsse
plausibel zu machen und motivierbar sein. Nichts schien mir
leichter. In meinen kindlichen Stilübungen suchte ich Sympathien
noch für die himmelschreiendste Unnatur zu erwecken. Ich weiß
nicht, ob die „Hamburgische Dramaturgie“ ein geeignetes Paten
geschenk für die erste heilige Kommunion ist. Es kommt schließ
lich dahin, daß man sich auch persönlich zu allerlei Kühnheit
und Irrweg berechtigt glaubt, in der stillschweigenden Voraus
setzung, daß unser aller göttlicher Dramaturg um eine schließ-
liche Motivierung nicht werde verlegen sein.
*
Ich weiß jetzt, wie es hier unten aussieht, und finde die 27. X.
sozialistischen Theorien, soweit sie mit einem Enthusiasmus der
Massen rechnen, reichlich romantisch und abgeschmackt. Die
derlei Theorien erdachten und davon zehrten, mögen warm
herzige Volksfreunde gewesen sein; Kenner ihrer Schützlinge
waren sie nicht. Überzeugte Melioristen sind für gewöhnlich
Leute, die in der eigentlichen Sphäre ihres Ehrgeizes nicht reüs
siert haben. Marx hat sich als Dichter versucht, ehe er mit den
Instinkten der Masse zu rechnen begann. Es ist mit den Melio
risten ähnlich wie mit den Journalisten. Beide haben sich als
Dichter versucht, ehe sie Referendare des Alltags und Weltver
besserer wurden. Man sollte meinen, daß sie sich für die höheren
Gegenstände hätten ein offenes Herz bewahrt, und in vielen Fällen
ist es auch so. Oft aber muß als ein Popanz der Rache dienen,
was ihnen unerreichbar war. In ihren Feuilletons nörgeln sie,
in den Programmen stimmen sie gegen die Kopfarbeit.