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Soirees de Paris gewesen war und zu dieser eine Zeitlang
Führerrolle spielenden Zeitschrift im Verhältnis des reichen
Mannes zur Klosettfrau gestanden haben soll. Apolli
naire, Marie Laurencin — der gute Henry Rousseau, der
bis zu seinem Tode daheim die Marseillaise spielte: das
alte Paris wird lebendig; es ist endgültig verstorben,
fetzt herrschen dort die Herren Foch und Millerand,
Apollinaire starb an der Grippe, Picabia ist in New
York — das alte Paris ist endgültig erledigt. Aber ganz
neuerdings ist Dada dort leibhaftig Gestalt geworden.
Tzara ist nämlich nach Erschöpfung aller dadaistischen
Möglichkeiten in Zürich, und nachdem er noch zuletzt
durch Aufnahme des Dr. Serner in seinen Kreis seine Ideen
vergeblich aufzufrischen gesucht hatte (nach weiteren zahl
reichen Sensationsvorstellungen und dadaistischen Parade
märschen) in jener Stadt angekommen, in der Napoleon
gesagt haben soll, daß ihm die Literatur keinen Misthaufen
wert sei. Napoleon hatte unter den Pyramiden gestanden,
Tzara verstand es sogleich die Zeitschrift „La literature“ in
Dada umzuwandeln, er inszenierte einen großen* Er
öffnungsabend, bei dem bruitistische Konzerte und Si
multangedichte ungeheueren Eindruck machten; er ließ
sich inthronisieren, salben und zum Papst der dadaisti
schen Weltbewegung ernennen. Dada hatte gesiegt.
Etwas eigentümlich müssen sich die Herren Picasso und
Marinetti vorgekommen sein, als sie von dem Erfolg
ihrer Ideen unter dem Namen „Dada“ zu hören bekamen.
Ich fürchte, daß sie nicht Dadaisten genug gewesen sind,
um Dada zu begreifen. Picabia, der den gesamten
Seilwinde! schon fahr um fahr an sich vorüberziehen
sah, wunderte sich jedenfalls nicht. Er war Dadaist
gewesen, ehe ihm Herr Tzara etwas von den geheimen
Weisheiten des Dadaismus mitgeteilt hatte; sein großer
Reichtum (der Vater war Gouverneur in Chile, Mar
tinique oder Cuba) gestatte ihm, sich einen Leibarzt
zu halten, der ständig mit geladener Spritze hinter ihm
herlief.