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Jahresbericht 1939 der Zürcher Kunstgesellschaft
Beilage I:
Verzeichnis der abgebildeten Werke
Tafeln I—VHIII
Als nach der Uebersiedelung vom stillen Künstlergütli in das neu erbaute Kunsthaus
am Heimplatz, im Jahre 1910, die Sammlung der Kunstgesellschaft sich im hellen Licht
der neuen Säle ausbreiten durfte und nicht alle ihrer altvertrauten Bilder in dem anspruchs-
volleren Rahmen auch besser sich behaupteten, wurde zu dem lebhaft gefaßten Vorsatz
einer kräftigen Mehrung und Verbesserung der Bestände auch die Forderung nach einem
klaren und verbindlichen Programm für ihren Ausbau erhoben. Programme wurden
hierauf durchberaten und aufgestellt mit Verpflichtung auf bestimmte geographische und
zeitliche Bereiche, und innert diesen auf bestimmte Künstler — und durch die Umstände,
vor allem durch Sammlungskommission und Vorstand selber, gelegentlich ad absurdum
geführt, meistens aber noch vorher wieder umgebogen oder ganz aufgegeben.
An den Platz eines auf Namen und vorgeprägte Begriffe festgelegten Programmes
trat immer wieder, und bald endgültig, ein an sich nicht weniger strenges, jedoch in
größerer Verantwortung auch größere Freiheit einschließendes Prinzip. «Ich kenne
keine alte Kunst und keine neue Kunst, nur gute Kunst», dieses von S. Righini oft wieder-
holte Bekenntnis machte sich auch, nach einigem Zögern, die Sammlungskommission zu
eigen, erweitert um den Satz «wir stellen nicht schweizerische über nichtschweizerische
und nicht ausländische vor schweizerische Kunst, nur gute Kunstwerke über weniger gute».
Mehr Aufmerksamkeit als der Stellung der Werke in der «großen» Kunstgeschichte, wie
sie mit allgemein kulturellen und geistesgeschichtlichen, mit politischen, geographischen
und nationalen Ereignissen und Situationen verflochten ist, wurde der «inneren» Kunst-
geschichte gewidmet, dem, was nur in den Werken selber geschieht. Dem Sammel-
eifer stand damit theoretisch alles zu Gebote, was vom besten aus den Werkstätten der
Künstler zu erwarten war und was der Handel an anderen Orten aufstöberte und heran-
führte. Freilich läßt sich nur suchen, was irgendwo vorhanden ist, und nur kaufen, was
man bezahlen kann.
Wissenschaft und Kunst als ausgesprochen menschliche Leistung sind beide ein Prin-
zip der Ordnung; entsprungen aus dem Drang, sich vor dem Ansturm der Erscheinungs-
und Erlebniswelt zu behaupten. Wissenschaft, Dichtkunst, Musik und bildende Kunst be-
deuten bewußte Auswahl und Gruppierung gegenüber der ungeordneten und ungeglieder-
ten Vielzahl und Vielfältigkeit. Wie sollte, wenn jedes einzelne Werk diesen Ursprung
bekundet, nicht für das Sammeln und die Darbietung von Kunstwerken der gleiche —
innere — Zwang sich einstellen, auch dieses einzig im Kampf um die Ueberlegenheit
gegenüber dem Stoff und mit dem Ziel einer Ordnung höherer Art zu betreiben?
Der Nachweis, daß und wie weit die Sammlung des Zürcher Kunsthauses von einer
leitenden Idee getragen und in ihrer Haltung bestimmt wird, muß, so lang eine ein-
gehende Darlegung fehlt, von der Sammlung selber geleistet werden. Sie ist seit 1910 in
nun drei Jahrzehnten durch Ankäufe aus dem bunten Allerlei des berufsmäßigen und
privaten Kunsthandels und der Ausstellungen mit durchschnittlich mäßigen Aufwendun-
gen, und durch ungleich zahlreichere und gewichtigere, von der Persönlichkeit der Samm-