GRAPHISCHE SAMMLUNG
Ankäufe und Geschenke
Den Schwerpunkt unserer diesjährigen Anschaffungen
bildeten die aus unserer Retrospektive der Zeichnungen
von Enzo Cucchi mit der Unterstützung des Künstlers
erworbenen Blätter von 1985 bis 1988, mit denen wir die
bereits bestehende Gruppe von Enzo Cucchi im Kunst-
haus in sinnvoller Weise ausbauen konnten. Cucchi schafft
in seinen Blättern traumartige Situationen, indem er Struk-
turen des Traums für die Bildgestaltung verwendet, wie zum
Beispiel fliessende Übergänge von einem Raum in einen
anderen und von einer Zeit in eine andere. Irritierend sind
dabei nicht nur die Sprünge in den Grössenverhältnissen,
sondern auch das beunruhigende Nebeneinander von
Bildelementen verschiedener Herkunft und unterschiedli-
cher Ebenen. Dadurch, dass die Darstellung nicht mehr
logischen und linear narrativen Gesetzen folgt, entsteht
eine Atmosphäre, die der Betrachter mehr assoziativ als
rational erfassen kann. (Vgl. den Kommentar zu den Neuer-
werbungen).
Auch die Zeichnungsserie von Ilona Ruegg, die wir
letztes Jahr aus der Ausstellung «Stiller Nachmittag» ange-
kauft haben, wurde mit zwei Rotstiftzeichnungen von 1988
ergänzt. Diese lassen die stärkere Hinwendung der Künst-
lerin zur Farbigkeit erkennen, was im Zusammenhang mit
ihrer immer wichtiger werdenden Malerei zu sehen ist. Die
dem Medium der Zeichnung innewohnenden Qualitäten
der Spontaneität und Skizzenhaftigkeit kommen den
Intentionen von Ilona Ruegg in besonderer Weise
entgegen. In ihren Arbeiten waltet eine Scheu vor dem
Benennen; ihr geht es nicht mehr um eine Beschreibung
der Welt, wie man sie sieht. So kommt ihre Skepsis gegen
einseitige Fixierungen in der Offenheit der Formen
zwischen Figurativem und Abstraktem zum Ausdruck.
Mit der Zeichnung «Discontinued Project», 1970/74 von
Bruce Nauman konnten wir unsere kontinuierlich ange-
wachsene Gruppe von Zeichnungen, Graphiken, Artist
Books und Videobändern dieses 1941 geborenen, in Pecos,
New Mexico lebenden Künstlers erweitern. Für den in den
verschiedenartigsten Medien arbeitenden Künstler steht
die Zeichnung gleichberechtigt neben den Objekten,
Installationen, Photos und Videobändern. Sie dient ihm
nicht nur zur Vorbereitung seiner plastischen Arbeiten,
sondern ist selbständige Ausdrucksform seiner künstleri-
schen Vorstellungen. Unsere Zeichnung gehört zu
Naumans Projekten von akustischen Korridoren. Deutlich
ist einmal die linke Aussenseite und zum anderen die rechte
Aussenwand des Korridors mit genauer Angabe der Lage
der auf Mundhöhe verteilten Mikrophone und der über
Kreuz angeschlossenen Lautsprecher dargestellt. Der
Künstler, der sich unter anderem mit Wahrnehmungstheo-
rien und Verhaltenspsychologie beschäftigt hat, bringt im
Gegensatz zu den anonymen Strukturen der Minimal Art
Erfahrungen ein, die er mit sich selbst und mit seinem
Körper gemacht hat. Aus dem Performance-Korridor von
1969, den er für seine Performances vor einem Publikum
verwendete, entwickelte er begehbare Korridore, in denen
das Publikum selbst seine eigenen Erlebnisse haben kann.
{n den engen Korridoren und bei dem oft überhellen,
»infarbig ausgefilterten Licht können die Erlebnisse auch
oeklemmend, sogar erschreckend sein. Nauman hat sich
immer für die Schwelle interessiert, „die zwischen dem
Gefühl des Wohlseins oder der Beherrschung des eigenen
Raumes und dem ‚Verlust der Beherrschung‘ liegt.“ (B.N.)
Die fünf Bühnenbildentwürfe zu «Spiel aus Form,
Farbe, Licht und Ton», 1929, von Roman Clemens
belegen einen wichtigen Tätigkeitsbereich dieses Künstlers
während der Bauhauszeit. Der Erwerb des graphischen
Hauptwerkes von Max Ernst, der Lithographie-Mappe
«Fiat modes pereat ars» von 1919, stellt nicht nur eine
sedeutende Bereicherung unseres Max Ernst-Bestandes,
sondern auch unserer Dada-Sammlung dar. Bei den
Hinweisen auf die Neuerwerbungen soll näher darauf
>»1ngegangen werden.
An Geschenken durften wir dieses Jahr einige beacht-
liche Werke in Empfang nehmen. Herr Gustav Zumsteg
übergab uns den grossformatigen Linolschnitt «Sitzender