pe liegend.»!® Der mittlere Hirte aber ist ın Gedanken ver-
sunken: Lukas rahmt die Geburt Christi und Johannis mit
solch reflexiven Figuren: «Und alle, die davon hörten,
nahmen es sich zu Herzen und sprachen: «Was wird wohl
aus diesem Kind werden?», und wiederum: «Maria aber
bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Her-
zen.» So zeigt der Maler dem Betrachter in dem kleinen
schlichten Mann nochmals eine religiöse Grundhaltung
als Sich-Wundern über den rätselhaften Einbruch des
Übernatürlichen ins Menschliche, als Nachdenken über
die allgemeinere Bedeutung des Sichtbaren.
Christian Klemm
Anmerkungen
Grundlegend für die Kenntnis der Nelkenmeister: Maurice Moullet (OFM): Les
Maitres A 1’Eillet (Basel 1943, der Geburtsaltar S. 57 und passım); die bis Jetzt
überzeugendste Bestimmung der Werkstätten und Meister bei Alfred Stange:
Deutsche Malerei der Gotik (Band VII, München 1955, S. 63-82, bes. S. 69f);
mit der älteren Literatur übersichtlich zusammengefasst in Alfred Stange: Kriti-
sches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer (2. Band, München 1970,
S.77-82, bes. Nr. 334).
Ein Nationalfonds-Forschungsprojekt über die Nelkenmeister ist seit einiger
Zeit im Gange, das vor allem auf Grund von Infrarotreflektographien neue
Erkenntnisse verspricht. Die Berner Gruppe mit dem Geburtsaltar wird von Frau
Charlotte Gutscher-Schmid bearbeitet, der ich für den wertvollen Gedanken-
austausch danke. Gemeinsam mit Frau Verena Villiger bereitet sie für das Muse-
um für Kunst und Geschichte in Fryburg eine Dokumentationsausstellung zu
den Nelkenmeistern für Herbst 1996 vor, die anschliessend im Schweizerischen
Landesmuseum gezeigt wird.
' Tafel: 114 x 55 cm, Bildgrösse: 113 x 55 cm, ergänzt auf 120,5 x 55 cm; die
originale Malkante mit dem Falz ist nur unten erhalten.
‘Tafel: 114 x 76 cm, Bildgrösse: 113 x 74 cm, ergänzt auf 120,5 x 74 cm; die
originale Malkante mit dem Falz ist seitlich und oben erhalten. Gemäss der
folgenden Rekonstruktion waren die Tafeln je 122,5 cm hoch und 76 cm breit,
inklusive allseitig je ca. 1 cm für die in die Rahmen eingelassenen Fälze.
Bestimmung von Stange, erstmals abgebildet von Charlotte Gutscher-
Schmid: Fotografische Wiederentdeckung einer Nelkenmeistertafel im Archiv
des Bodemuseums Berlin (Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und
Kunstgeschichte, L, 1993, S. 179-186) Abb. 4 (unten um die gemalte Vorder-
Front der Standplatte beschnitten). Die Malerei war von Holz auf Leinwand
übertragen und hatte die Masse 116 x 73 cm. Die ungeteilt erhaltene Tafel ist
nur 6 bis 10 mm dick, weshalb sich 1930 der Restaurator Fred Bentz in Basel
weigerte, sie auseinander zu sägen; die Übertragung auf Leinwand wurde also
vermutlich durch die Spaltung notwendig. Möglicherweise wurde bei dieser
Gelegenheit auch das linke Viertel der Aussenseite beschädigt und diese des-
halb verkleinert. Durch die Parallelisierung der Standflächen und des Rapports
des Musters des Goldgrundes lassen sich die exakten Positionen der beiden
Altarflügel und ihre Masse bestimmen.
"Stange 1955, S. 66f, Abb. 138, 140; Burkard von Roda: Der Peter Rot-Altar
(Basel 1986; = Basler Kostbarkeiten 7, farbige Klapptafel mit Rahmen), vor
allem über den Stifter und die Ikonographie im Hinblick auf die kirchenpoli-
tischen Verhältnisse in Basel betr. den Differenzen zwischen den Dominika-
nern und Franziskanern über die Marienfrömmigkeit. Ein wichtiger Hinweis
zur Datierung ergibt sich durch den Tod der Gattin Margarete von Rümlang
1479, deren Wappen auf dem Altar erscheint; 1484 ist Peter Rot wieder ver-
heiratet, doch wird nach damaligem Gebrauch diese zweite Allianz schon
früher geschlossen worden sein.
Im Sinne von Otto Pächt: Zur deutschen Bildauffassung der Spätgotik und
Renaissance (!Alte und Neue Kunst, I. 1952 S, 70-78, ?Otto Pächt: Metho-
disches zur kunsthistorischen Praxis [München 1977] S. 107-120).
Die Frage nach der Bedeutung der roten und weissen Nelken als «Signatur»
bleibt offen, vgl. Moullet S. 11-17, zuletzt Gutscher (wie Anm.7).
Jber diese Vorkommnisse sind wir dank den Briefen des Solothurner Stadt-
ichreibers Hans von Stall informiert, publiziert bei Hans Rott: Quellen und
Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im
15. und 16. Jahrhundert, II. Der Oberrhein, Quellen II Schweiz (Stuttgart
1936) S. 159-162. Zu deren Interpretation und der Ikonographie des Freibur-
zer Altars zuletzt Charlotte Gutscher-Schmid: Der Nelkenmeisteraltar in Frei-
urg im Uechtland (Helvetica Franciscana, XXII/1, 1993, S. 5-44, mit einem
Exkurs zur Nelkensymbolik S. 33-38).
Berner Chronik des Valerius Anshelm, Bd. II, S. 232, nach Rott, a.a.O., S. 236.
Stange bezieht alle Nennungen auf die gleiche Person; Moullet (S. 30£, S. 63ff)
iehnt dies u.a. mit dem Hinweis, dass der Name «Löwensprung» in Strassburg
nicht nachweisbar ist, ab, doch kann dieser dem Meister Paulus auch erst in
Bern zugewachsen sein.
Berthold Haendcke: Die schweizerische Malerei im XVI. Jahrhundert (Aarau
1893, S. 60) nennt als Herkunft «wahrscheinlich» Schloss Worb; J. Zemp (in:
Berner Kunstdenkmäler, IV. Jahrgang, 1905, Blatt 37f) referiert die Mitteilung
von H. Kasser, dass das Retabel vom Altar der Familie Nägeli im Berner Mün-
ster stammt. Heiratsallianzen zwischen der Familie von Steiger-Effinger im
Schloss Kirchdorf (zwischen Thun und Bern) und der Familie Nägeli kamen
wiederholt vor, vgl. Moullet S. 16f mit etwas unklarer Erwähnung eines Inven-
tars der Familie Nägeli, das ev. den rechten Flügel der Geburt aufführt.
Albert Chätelet: Die Malerei des Oberrheins im 15. Jahrhundert (In: Der
hübsche Martin. Kupferstiche und Zeichnungen von Martin Schongauer.
Ausstellungskatalog Colmar 1991, S. 55).
Zur Ikonographie der Weihnachtsdarstellungen s. unter Geburt Christi im
Lexikon der christlichen Ikonographie (ed. Engelbert Kirschbaum SJ. Band II,
Rom 1970, Sp. 86-120) mit Nachweis der im Folgenden genannten Bibelstel-
len und anderen Quellen.
Fritz Blanke hat in einem der letzten Neujahrsblätter der Zürcher Kunstge-
sellschaft (1964; Bildinhalte christlicher Kunst des Mittelalters, erläutert an
Beispielen aus dem Zürcher Kunsthaus und dem Schweizerischen Landesmu:
;eum. S. 6) bemerkt, dass die Futterkrippe eigentlich hinten an der Wand ange
aracht ist und dass nach der Vision der Brigitta das Kind zunächst am Boden
lag. Sie betete es sofort an, und als sie sah, dass es fror, wickelte sie es in ein
Tuch und legte es in die Krippe. Nun kann also unser philologisch unexakter
Maler entweder nicht viel oder dialektisch allzu viel gedacht haben: z.B. dass
der Boden doch unzumutbar hart sei oder für die Heiligkeit des Leibes Chri-
sti eine Blasphemie bedeute - das Auf-den-Boden-Werfen der Hostie wurde
damals häufig als besondere Schandtat den Juden angelastet - , dass die Auf-
merksamkeit von Ochs und Esel eben nicht viel bedeute, wenn sie sich der
Futterkrippe zuwende, oder dass sich keine befriedigende Gruppe bilden lies-
se, wenn das Kind auf Maulhöhe an der Wand liegt. Vermutlich waren solch
praktisch künstlerische Zusammenhänge oder Traditionen entscheidend, die
den Kompositionstyp festlegten, wobei die Bedeutungen der Einzelheiten
lem Maler nicht mehr präsent waren: das Körbchen wäre ein Ersatz für die
Krippe, die ihm aus dem Lukasevangelium sicher geläufig war.