EUGÈNE DELACROIX,
STUDIENBLA TT ZU «FAUST», 1825/1827
Eugène Delacroix’ Faust-Zyklus ist nicht nur ein beeindru-
ckendes Beispiel dafür, wie sehr deutsche und französische Kul-
turgeschichte zuw eilen ineinandergreifen, er stellt auch eine he-
rausragende künstlerische Leistung in der damals noch jungen
Geschichte des lithografischen Druckverfahrens dar.
Die siebzehnteilige Bildfolge erschien erstmals in der von
Albert Stapfer übersetzten Faust-Ausgabe von 1828. Die Tatsa-
che, dass Delacroix zunächst eine Herausgabe der Blätter ohne
den G oethe’ schen Text im Sinn hatte, spricht für die Eigenständig-
keit der Grafiken, die mit dem Beg riff «Illustrationen» nur unzu-
reichen d charakterisiert wären.
In Frankreich war man mit dem literarischen Stoff des Faust
spätestens seit Madame de Staëls Schrift «De l’ Allemagne» ver-
traut. Eb enso w usste man im Nachbarland bereits frühzeitig von
den bildnerischen Umsetzungen der Tragödie durch die deut-
schen Künstler Moritz Retzsch und Peter Cornelius.
Dass selbst Goethe die Bildfindungen Delacroix’ mit Lob
bedachte, erscheint umso beachtlicher, als der 79-jährige Be-
gründer der «Weimarer Klassik» damit jenen jungen Künstler
würdigt, der uns heute als Hauptvertreter der französischen
Romantik bek annt
ist.1
In Delacroix erblickte Goethe «ein groß es
Talent, das gerade am Faust die rechte Nahrung gefunden hat. Die
Franzosen tade ln an ihm seine Wildheit, allein hier kommt sie ihm
recht zu
Statten.»2
Den Autor des Faust muss beeindruckt hab en,
dass sich Delacroix von seinen eigenen künstlerischen Visionen
leiten liess, anstatt der literarischen Vorlage pedantisch zu fol-
gen. Kaum anders liesse sich das Urteil Goethes erklären, wo-
nach «Herr Delacroix meine eig ene V orstellung bei S zenen über-
troffen
hat».3
Mit dem Erwerb einer Vorzeichnung zu Delacroix’ lithogra-
fi schem Zyklus schliesst das Kunsthaus Züri ch nun eine wichtige
Lücke im Bestand seiner französischen
Meisterzeichnungen.4 Meisterzeichnungen.4