TIZIANO VECELLIO ZUGES CHRIEBE N
ABENDLANDSCHAFT MIT FIGURENP AAR,
UM 1518 – 1520
Seit seiner Erstpublikation 1844 wurde dieses stimmungs-
volle , auf Papier gemalte Landschaftsbild in der Literatur stets
der v enezia nischen Kunst Giorgiones und Tizi ans
zugeordnet.1
Da
das kleinformatige Bild nicht sig niert ist, bedarf es einer näher en
Zuschreibung. Zunäc hst in die Giorgione-Ecke gerückt, wurde es
1938 durch Tancred Borenius erstmals Tizian zugeschrieben.
Bernard Berenson bezeichnete es 1957 demgegenüber als
«giorgionesk». An drei Auktionen – 1988, 1994 und 1996 – lief das
Bild, tief eingeschätzt, unter «Nachfolger» bzw. «Umkreis» von
Giorgione. Angesichts des gereinigten Bildes zeigt sich heute
aber, dass die melancholische Trübung und Verrätselung, wie sie
für gemalte Landschaftsräume im Stil Giorgiones charakteris-
tisch sind, hier nicht gegeben sind. In den bisher erschienenen
Werkkatalogen der Gemälde Tizians fand das Werk keinen Nie-
derschla g – hätte dort als Gemälde auf Papier aber ohnehin einen
Sonderfall dargestellt. Dessen ungeachtet setzte aber ab 1969
eine bis heute andauernde Reihe zusti mmend er Stellungnahmen
zur Autorschaft Tizians ein, namentlich von William R. Rearick
(2000 und 2001), Matthias Wivel (2018) und schliesslich Paul
Joannides (2018 und 2019). Nach 1996 ist seitens von Fachauto-
rinn en und -autoren keine a ndere Zuschreibung als die an Tizi an
bek annt gew orden.
Einige auffallende Motive des Bildes finden sich auch an-
derswo in Tizians Werk: Dies gilt etwa für den Ritter mit Barett
(etwa im Holzschnitt zum «Sieg des Glaubens»), den gotischen
Kirchturm (in Gemälden und im druckgrafischen Werk) und die
Befestigungstürme (in diversen Zeichnungen ) . Die Strukturen der
S tämme und Laubmassen der Bäume links find en sich ganz ähn-
lich in Z eich nungen Tizians (etwa in «Arkadische Landschaft mit
Hirten» in der Albertina) oder des stark von ihm geprägten Dome-