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der das Menschliche wie einen Kristall duohdringt.“
Aber er scheint nicht zu fürchten, daß die „tausend
Menschen“ ihm auf die Finger sehen. Er liefert die
letzten Reste individueller Freiheit der Preußifikation
aus; er entwertet zu diesem Zweck den letzten Rest
von Moralität, der den Deutschen geblieben ist. Er
fürchtet nicht die Kirche der Intelligenz, deren limbus
patrum das große menschliche Frankreich ist. Er ist
unerschütterlicher Repräsentant jenes egozentrischen
deutschen Deliriums, das alles Unglück der Welt pro
voziert hat.
TISZA UND CZERNIN
von einer dem Habsburgischen Hofe nahestehenden Persönlichkeit.
(Nummer 35, 1. Mai 1918.*)
Graf Czernin ist durch die rumänischen Friedens
verhandlungen zu Fall gekommen. Als er sich nach
Unterzeichnung des Brest-Litowsker „Auohfriedens“
zur Eröffnung der Verhandlungen nach Bukarest be
gab, erhielt er von Kaiser Karl die bündige Weisung,
von jeder Annexion rumänischen Bodens, und sei es
auch nur in Form von sogenannten „Grenzberichti
gungen“, Abstand zu nehmen. Bereits bei seiner Be
gegnung mit König Ferdinand von Rumänien in der
moldauischen Stadt Bakau war Czernin beauftragt, im
Namen seines Kaisers dem König die Versicherung zu
geben, die Monarchie werde dem besiegten Nachbar
keinen Flecken Landes wegnehmen, sondern sich mit
einem guten Handelsvertrag und der Pflege freund-
naohbarlicher Beziehungen wie unter König Carol zu
friedengeben.
Auf der Fahrt nach Bukarest hatte Czernin in
Budapest eine Begegnung mit dem Grafen Tisza, den
er von den Instruktionen des Kaisers vollinhaltlich in
Kenntnis setzte. Tisza bekam ob dieser Mitteilung
einen förmlichen Tobsuchtsanfall: wieder sei es der
Wiener Hof, der das magyarische Volk um die Frucht
*) Unter dem Titel „Zur Entlassung Czernins“.