Raphael soll gesagt haben, man darf beim Malen nicht denken,
so hat doch erst der Surrealismus sich bewußt dieser Methode
bemächtigt. Statt eine festgeformte Vorstellung von dem zu
schaffenden Bildwerk zu haben, begibt sich der Künstler auf
die Ebene der Improvisation. Er wird zum mehr oder weniger
sensiblen Instrument, durch welches sich Unbewußtes manife-
stiert. Wie weit er diese Manifestation durch bewußte UVeber-
arbeitung umsetzt oder sie in ihrer Unmittelbarkeit bestehen
läßt, bleibt seiner Willkür und der Absicht überlassen, sıe einem
breiteren Publikum faßbar zu machen. Daraus erklärt sich auch,
daß sich unter dem Begriff „Surrealismus“ Abstraktes und
Gegenstandgebundenes begegnen. Der Surrealismus erhebt daher
keinen Anspruch, eine Stilrichtung wie z. B. der Expressionis-
mus oder der Kubismus zu sein, sondern lediglich eine Methode.
Ist er aus diesen Gründen anfechtbar? Gehört das stilbildende
Element nicht vielleicht der Vergangenheit an? Der Surrealis-
mus kann zum Wegbereiter manch neuer Erkenntnisse werden.
Das Psychologische seiner Methodik entspricht den Intensionen
unserer Zeit. Mehr und mehr wird die Psychologie zu unserer
Dialektik. Neue Aspekte der Kunstbetrachtung zeichnen sich
ab! Wir haben erfahren: „Zufälliges‘“ Gelingen schafft das
Kunstwerk, zu erkennen, daß es gelungen ist, macht den
Künstler aus.
Ueber Wert oder Unwert der Bestrebungen des Surrealismus
zu diskutieren ist müßig. Der Künstler unserer Zeit, müde
geworden über dem Abbilden der sichtbaren. Umwelt, erhofft
Neuland zu erobern. In die Abgründe unerforschter Welten
lauschend, ersehnt er, unter der malenden Hand Dinge erstehen
zu sehen, die seinem Tagesbewußtsein nicht geläufig sind. —
Wer möchte es ihm verargen? Paul Klee hat diesem Wunsch
mit folgenden Worten Ausdruck gegeben: „Da, wo das Zentral-
organ aller zeitlich-räumlichen Bewegtheit, heiße es nun Hirn
oder Herz der Schöpfung, alle Funktionen veranlaßt, wer möchte
da als Künstler nicht wohnen? -