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Die graphischen Originalverfahren
haben während des 19. Jahrhunderts in Deutschland
unter den Malern nur vereinzelte Anhänger gefunden.
Menzel allein hat sich aller graphischen Techniken be-
dient, Leibi hat eine kleine Zahl herrlicher Radierungen
geschaffen. Ihnen gegenüber stand Klinger, dem die
Radierung als Mittel literarischer Illustration willkom
men war. Aber während die Mehrzahl der deutschen
Maler des 19. Jahrhunderts die Technik der Radierung
und des Steindrucks kaum kannte, gelangten diese beiden
Verfahren nach der Jahrhundertwende zu allgemeiner
Verbreitung, und es gab bald kaum mehr einen Künstler,
der sich ihrer nicht wenigstens gelegentlich bedient
hätte, so dass es wohl möglich ist, in einer Ausstellung
moderner Graphik einen nahezu vollständigen Überblick
über die verschiedenen Bestrebungen heutiger deutscher
Kunst zu geben.
Handelt es sich im wesentlichen um die Kunst der
Lebenden, so schien es doch unvermeidlich, auch einige
während des letzten Jahrzehntes verstorbene Meister
in diese Darstellung einzubeziehen, wie Hans Thoma,
dessen einfach klarer Strich ebenso seinen Steinzeich
nungen wie seinen Radierungen einen besonderen
Charakter verleiht, oder Kalchreuth, der eine Zeit lang
mit Thoma zusammen in Karlsruhe wirkte und sich vor
allem als Schilderet des Lebens der Landleute bewährte.
Im Mittelpunkte der Ausstellung aber steht, wie es
sich gebührt, der Nestor der deutschen Kunst, der heute
82jährige Meister Max Liebermann, der gleich wie der
Malerei so auch den graphischen Techniken in Deutsch
land jenen entscheidenden Anstoss gegeben hat, der sie
zu neuer Höhe und Verbreitung führen sollte. Lieber
mann hat oft die gleichen Motive, die er in seinen
Gemälden festhielt, in die Radierung übertragen. Er
hat in den 90er Jahren Darstellungen aus dem Leben
der holländischen Bauern mit tonigen Schatten radiert.
Wie er seine Palette aufhellte, so wurde sein Schwarz-
Wciss mit den Jahren lichter. Er hat in seinen späteren