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RUSSLAND.
Die neuen Arbeiten Alex. v. Jawlenskys.
Vor Kriegsausbruch flüchtete der russische
Maler und Gardeoffizier Alexei v. Jawlensky
aus München, wo er 18 Jahre im freundschaft
lichen und geistigen Verbände mit gesinnungs
gleichen deutschen Künstlern gelebt hatte, ins
schweizerische Tessin <Ascona>. Nach sechs
jähriger Abwesenheit ist er jetzt wieder zu
vorübergehendem Aufenthalt nach München
zurückgekehrt, hauptsächlich um hier eine große
Wanderausstellung durch* Deutschland vorzu*
bereiten. In seinem alten Schwabinger Atelier
konnte man in diesen Tagen den größten Teil
seines oeuvre beisammen sehen und so einen
guten Überblick über die Entwicklung dieses
starken Künstlers, der neben Kandinskij und
Chagall der hervorragendste Vertreter der neuen
russischen Kunst ist, gewinnen,
*
Seine frühen Arbeiten <in der Mehrzahl Land^
schäften) sind noch impressionistisch. Eine Vor^
liebe für kräftige Farben <Rot vor allem) und
Farbenklänge empfindet man als national be
dingt. Der Einfluß van Goghs wird in durchs
aus persönlicherWeise verarbeitet. Diese frühen
Bilder wirken „westlicher" als die der nach^
folgenden Periode, in der sich die entschiedene
Wendung zum Neuen vollzieht. Neben Land^
schäften entstehen in dieser Zeit jene für Jaw=
lensky so typische Köpfe, die an Fajumpor=
träts und altrussische Ikone erinnern. Die Farbe
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wird exzessiv, orgiastisch. Sie ist es vor allem,
die das Orientalische dieser Malereien aus
macht. Rot schmettert, Gelb gellt, Grün faucht.
Hieratische Strenge bändigt animalische Leiden^
schäften. Ein naturhafter Primitivismus, der
ins Transzendentale weist.
Die jüngsten Arbeiten Jawlenskys streben in
Form, Farbe und Ausdruck nach Überwindung
des Irdisch-Animalischen. An einer Reihe von
Köpfen — Variationen eines jugendli<h=bart-
losen Christus — läßt sich der genommene Weg
verfolgen. Helle zarte Farben in substanzlosen
Flächen. Betonung der geometrisch gesetzmä
ßigen Formen. Ausdruck unirdischer Seelen^
zustände. Zeitlich parallel zu diesen Köpfen
geht eine Serie von Landschaften, auf denen
die Naturformen und ^färben ins Farbig Ab^
strakte umgedeutet sind in einem Sinne, der
zwar Kandinskij nahekommt, aber doch durchs
aus persönlich-eigenartig wirkt.
Alle Arbeiten der letzten Zeit haben kleine
Formate,- sie sind auf französisches Ölpapier
mit Ölfarben gemalt und mit einer Wachslösung
behandelt, die den Farben stärkere Tiefe und
Bindung verleiht. L. Z.
Bechtejeff Badende