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Das Wort und das Bild.
ist Selbstzweck geworden. Das Nervensystem erschöpft alle
Schwingungen des Klanges, vielleicht auch alle verborgene Emo
tion des Gongschlägers und läßt sie Bild werden. Hier im be
sonderen Falle genügte eine poetische Lautfolge, um jeder der
einzelnen Wortpartikel zum sonderbarsten, sichtbaren Leben am
hundertfach gegliederten Körper der Tänzerin zu verhelfen. Aus
einem „Gesang der Flugfische und Seepferdchen“ wurde ein Tanz
voller Spitzen und Gräten, voll flirrender Sonne und von schnei
dender Schärfe.
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30. III. Die neuere Kunst ist sympathisch, weil sie in einer Zeit der
totalen Zerrissenheit den Willen zum Bilde bewahrt hat; weil
sie das Bild zu erzwingen geneigt ist, wie sehr sich die Mittel
und Teile einander bekämpfen mögen. Die Konvention triumphiert
in der moralischen Bewertung der Teile und Einzelheiten; die
Kunst kann sich daran nicht kehren. Sie dringt auf den inne
wohnenden, allesverbindenden Lebensnerv; der äußere Wider
spruch stört sie nicht. Man könnte auch sagen: die Moral wird
der Konvention entzogen und auf die alleinige Schärfung des
Sinnes für Maß und Gewicht verwandt.
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Den Rock der Dandysten und Dadaisten tragen: jenen nämlich,
den Karl von Orleans trug, auf dessen Ärmel die Verse eines
Liedes gestickt waren, das anfing: ,Madame, je suis tout joyeuxk
Die Begleitung war in goldenen Fäden ausgeführt, während jede
der damals viereckigen Noten vier Perlen trug.
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Der Tanz als eine Kunst des nächsten und des direktesten
Materials steht der Kunst des Tätowierens und allen primitiven