Die Kulisse.
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Marinetti schickt mir „Parole in libertä“ von ihm selbst, 9. VII.
Cangiullo, Buzzi und Govoni. Es sind die reinen Buchstaben
plakate; man kann so ein Gedicht aufrollen wie eine Land
karte. Die Syntax ist aus den Fugen gegangen. Die Lettern sind
zersprengt und nur notdürftig wieder gesammelt. Es gibt keine
Sprache mehr, verkünden die literarischen Sterndeuter und Ober
hirten; sie muß erst wieder gefunden werden. Auflösung bis in
den innersten Schöpfungsprozeß.
Es gilt, unangreifbare Sätze zu schreiben. Sätze, die jeglicher
Ironie standhalten. Je besser der Satz, desto höher der Rang.
Im Ausschalten der angreifbaren Syntax oder Assoziation bewährt
sich die Summe dessen, was als Geschmack, Takt, Rhythmus
und Weise den Stil und den Stolz eines Schriftstellers ausmacht.
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Nach Florian-Parmentier („Histoire de la poesie frangaise 14. VII.
depuis 25 ans“) ist seit Rousseau ,die Sensation' allmächtig
geworden. Die Schriftsteller suchen die Leidenschaften, statt sie
zu verbergen. Das deutet auf eine große Vereinsamung und Ver
armung; auf ein verzweifeltes Bemühen, sich bestätigt zu sehen,
die Aufmerksamkeit zu erzwingen. Und warum ist es so? ,Parce-
que la democratie refuse les moyens d’existence ä l’ecrivain,
parcequ’ eile encourage le monstrueux mandarinat des journa-
listes.'
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Das Wort ist preisgegeben; es hat unter uns gewohnt. 16. VII.
Das Wort ist zur Ware geworden.
Das Wort sie sollen lassen stahn.
Das Wort hat jede Würde verloren.