DIE Sammlung Balzan ist eine der wichtigsten Privatsammlungen italienischer
Malerei des 19. Jahrhunderts. Der Kunsthistoriker, der sich mit dem Studium
dieser Periode der italienischen Kunst beschäftigt, wird sie nicht ignorieren oder
beiseite lassen dürfen. Vielleicht kann ihm dieser kleine Katalog durch die Werke,
die er erläutert, nützlich sein.
Wir müssen dem Sammler dankbar dafür sein, daß er sich bereit erklärt hat,
den bedeutendsten Teil seines Kunstbesitzes auszustellen, und wir wissen auch
der Direktion des Kunsthauses Dank für die Gastlichkeit, mit der sie die Samm-
lung in ihren Räumen aufgenommen und angeordnet hat. Der Entschluß Eug-nio
Balzans, — zu dem ihn auch seine Anhänglichkeit an die Schweiz bewogen hat,
die ihm seit mehreren Jahren Gastrecht gewährt, — und Verständnis und Ent-
gegenkommen der Leitung des Kunsthauses leisten der Kenntnis der italienischen
Kunst und der Vertiefung der geistigen Beziehungen zwischen Italien und der
Schweiz einen wertvollen Dienst.
Einige der ausgestellten Bilder waren bisher wenig oder gar nicht bekannt,
weil besondere Umstände ihr Studium erschwert haben (wie es bei Toma der
Fall war, dessen Bild lange Zeit als verloren galt). Anderen dagegen, seit ihrer
Entstehung von Erfolg begleitet, ist später an den historischen internationalen
Ausstellungen in Paris (1867), in Turin (1880), in Mailand und in Venedig die
Weihe des Ruhms zuteil geworden. Wieder andere wurden von Kritikern und
Kunstgelehrten stets im Auge behalten und wiederholt für die großen historischen
Ausstellungen dieser Periode oder für retrospektive Ausstellungen einzelner großer
Meister (wie M. Bianchi, Favretto, Morelli, Palizzi) angefordert. Die Ausstellung
dieser Bilder im Zürcher Kunsthaus trägt vom Ausland her zur Klärung und
Erforschung der Geschichte der italienischen Malerei des 19. Jahrhunderts bei,
die sich trotz dreißigjähriger Studien noch immer im Stadium einer «Scientia
condendi» befindet. Sie lehrt aber auch den schweizerischen Freund italienischer
Kunst diese ganze Epoche des 19. Jahrhunderts besser kennen. In den prachtvollen
retrospektiven Ausstellungen, die das Kunsthaus in den letzten Jahren in höchst
anerkennenswerter Weise veranstaltet hat, und wo wir z.B. herrliche Franzosen
bewundern konnten, fehlten die Italiener des letzten Jahrhunderts ganz.
Es scheint uns deshalb nicht anmaßend zu sein, wenn wir dem Wunsche Aus-
druck geben, diese Ausstellung möge eine Ergänzung der vorangegangenen bilden,
als gebührender Tribut der italienischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Vielleicht
bedeutet sie die erste Phase eines intensiveren Studiums dieser Epoche der italieni-
schen Malerei auch in der Schweiz. .
Die Werke, aus denen sich die Sammlung Balzan zusammensetzt, gehören alle
der zweiten Hälfte des ı9. Jahrhunderts an. d.h. jener Zeit, die, um mit Croce
zu sprechen. um 1860 «die Einheit der italienischen Geschichte» einleitet. Diese
Epoche ist die einzige, die für die italienische Malerei des 19. Jahrhunderts wirk-
lich bedeutsam ist, sowohl durch ihre Reformen, wie durch ihre unbestreitbaren
künstlerischen Werte.
In der Sammlung Balzan sind alle zeitgenössischen regionalen Schulen vertreten,
von Piemont bis nach Neapel, von der Lombardei und Venedig bis nach Apulien.
Sie ist langsam entstanden, als das Ergebnis ebenso beharrlicher wie liebevoller
Bemühungen; für die mehr technische Seite ist dem Sammler oft der brüderliche
Beistand Oreste Silvestris zuteil geworden. Sie stellt in der Homogenität des