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Jahresbericht 1941 der Zürcher Kunstgesellschaft
Beilage II
Ueber die äußere und die innere Gliederung der Sammlung
im Kunsthaus
a) Das Treppenhaus!)
Die Neueinrichtung der Sammlungssäle des zweiten Stockwerkes hat zu der Formu-
lierung der ihr zu Grunde liegenden Absichten und Gedanken eingeladen.
Der Wiedereröffnung vorausgegangen war in den gleichen Räumen des Altbaues die
unvergeßliche Ausstellung der Sammlung Oskar Reinhart. Die Frage stellte sich, ob aus den
Beständen des Kunsthauses sich Werkgruppen aufstellen lassen, die neben der Erinnerung
an die Reinhart-Sammlung bestehen und, mit andern Mitteln, in ähnlichem Maße künst-
lerisches Interesse zu wecken und zu fesseln vermögen. Diese Bewährungsprobe wurde
einer Auswahl schweizerischer Maler von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegen-
wart auferlegt. Beschränkung auf einen bestimmten Ausschnitt aus der Zürcher Sammlung
als dem Museum einer großen und blühenden schweizerischen Stadt, für das gerade die
Pflege der neuen schweizerischen Kunst als wichtiger Programmpunkt gelten muß, war
gegeben. Eine ausreichende Darbietung auch der älteren zürcherischen und schweizerischen
und der ausländischen Maler des 19. und früherer Jahrhunderte, so verschieden an Umfang
und Gehalt diese Gruppen an sich sein mögen, ist im gegenwärtigen Kunsthaus gleich-
zeitig nicht mehr möglich. Als Verpflichtung war innerhalb des weiter gefaßten Pro-
grammes seit 1910 im besonderen die Pflege von Koller und Welti vom zürcherischen
Standpunkt aus empfunden worden, vom zürcherischen und schweizerischen aus Anlage
und Ausbau einer Hodler-Sammlung.
Wie die Zahl und Wahl der Bilder eine Ueberprüfung der Sammeltätigkeit des Kunst-
hauses in dem umschriebenen Bereich bedeutete, so wurde mit ihrer Verteilung auf die
Räume eine Probe für den Kunsthausbau angestellt. Die Vorstellung einer zweiten Kunst-
hauserweiterung weckte den Wunsch, sich Rechenschaft zu geben über die Eignung des
gegenwärtigen Treppenhauses als Mitte auch einer ausgedehnteren Raumfolge als der
gegenwärtigen. Die Frage wurde gestellt, ob sich das Treppenhaus ohne bauliche Maß-
nahmen «erweitern», seine Wände wenigstens in der Ost-Westrichtung sich «versetzen»,
durch die Rückwände der Loggia und des ehemaligen Böcklinsaales ersetzen, lassen. Wenn
es sonst als ein Schacht von einer gewissen Helligkeit und Weite, mit dem Treppenlauf
und einem darum gelegten geschlossenen Kranz von Sälen, einschließlich der Loggia, ge-
nommen und empfunden wurde, so wurde versucht, die Eigenräumlichkeit der bisher
dunkel grundierten Loggia und des zum neuen Hodlersaal gemachten ehemaligen Böcklin-
saales wenn nicht aufzuheben, so doch ins Labile, Schwebende zu lockern.
Die Berechnung ging dahin, daß vor dem lichten Schimmer des Amiet’schen Jung-
brunnens auf dem nun nicht mehr dunkeln und trennenden, sondern hellen und binden-
den Grund der Loggia das Kalkgrau der Treppenhauswand versinken werde, daß die
Verschiedenheit des blauen Wandbildes von Hodler und der Front seiner zwei mal drei
1) Aus einem Aufsatz in Heft V 1941 der Zeitschrift «Kunst und Volk»,