SAMMLUNG
Das Jubiläums-Jahr 1987 stand, was die Sammlung
betrifft, ganz im Zeichen einer ausserordentlich hohen
Zahl von Geschenken und Legaten, neben denen sich die
eigenen Ankäufe eher bescheiden ausnehmen. Auch wenn
dieser Sammlungszuwachs als mehr oder weniger zufälli-
ges Resultat eines Jahres sich recht vielgestaltig gibt und
2ine weite Zeitspanne abdeckt, ist zu betonen, dass sich
alle neu aufgenommenen Werke vorzüglich in die bereits
vorhandenen Bestände einfügen, sei es, dass eher schwache
Werkgruppen ergänzt, sei es, dass bereits vorhandene
Akzente verstärkt werden. Es soll deshalb im folgenden
insbesondere auf diesen Aspekt der Integration ins Vor-
handene eingegangen werden, während im 2. Teil dieses
Jahresberichtes die einzelnen Werke interpretiert werden.
Überblickt man die bedeutendsten Neueingänge in chro-
nologischer Reihenfolge, so setzt diese ungewöhnliche
Reihe ein mit einer Figuren-Komposition von Angelika
Kauffmann «Amor und Psyche», die als Geschenk der
Jacobs Suchard AG in unsere Sammlung aufgenommen
werden konnte und aufs schönste das Winkelmann-Por-
trait der Künstlerin ergänzt sowie unsere Füssli-Sammlung
neu situiert. Wenn Angelika Kauffmann dem Zeitstil
huldigend dem Ideal eines ausponderierten Klassizismus
folgt, wird gerade vor diesem Werk Füsslis leicht exzen-
trische Expressivität erlebbar.
Während das 19. Jahrhundert ausser einem liebenswerten
Kleinmeister-Bild voller Selbstironie —- Hans-Kaspar
Weidenmann, Maler Atelier: Die Modelle kritisieren das
Bild des ausruhenden Künstlers, 1836 — keinen weiteren
Zuwachs erfahren hat, setzt die Reihe mit dem Beginn des
20. Jahrhunderts anhand einiger Spitzenwerke wieder
machtvoll ein.
1909 hat Edouard Vuillard in malerisch freier und spon-
taner Pinselschrift das Bild «Village au bord de la mer»
(Saint-Jacut/Bretagne) geschaffen, das uns von der Familie
Bodmer-Abegg geschenkt worden ist. Die nunmehr 4
Gemälde Vuillards in unserer Sammlung bilden damit eine
sehr ausgewogene Werkgruppe: zwei Interieurs mit Figu-
ren, zwei Landschaften, davon jeweils ein Bild in der klas-
sischen Nabiszeit vor der Jahrhundertwende entstanden,
das andere den späteren, offeneren Stil des Künstlers
repräsentierend.
Seit Jahrzehnten gehört die exzellente Vertretung
Kokoschkas zu den Höhepunkten der Kunsthaus-Samm-
lung. Dass gerade hier ein bedeutender Zuwachs zu ver-
zeichnen ist, erfüllt uns mit besonderer Genugtuung. Herr
Hans C. Bechtler hat der Vereinigung Zürcher Kunst-
freunde aus seiner Sammlung eine der ganz seltenen frü-
hen Figuren-Kompositionen übergeben: «Ritter, Tod und
Engel», ein Bild, das in eine Reihe von nur vier Werken
gehört, in denen die Annäherung an religiöse Themen ge-
sucht wird. (Die Titel der anderen Gemälde lauten «Flucht
nach Ägypten», «Kreuzigung [Golgatha]», «Verkündi-
gung», «Heimsuchung».) Auch Stilleben hat Kokoschka in
seiner Frühzeit nur wenige gemalt - wenn man überhaupt
diesen etwas biederen Terminus ın Anbetracht der ausge
sprochen vielschichtigen diesbezüglichen Werke beibe-
halten will. Mit «Stilleben mit Putto und Kaninchen» fin-
den die vier Stilleben, die vor Ausbruch des 1. Weltkrieges
entstanden sind, ihren Höhepunkt. Der Ankauf der Ver-
einigung Zürcher Kunstfreunde bereichert in ikonographi-
scher Hinsicht in vergleichbarer Weise wie das Geschenk
von Hans Bechtler unsere Bildreihe Kokoschkas, in der das
Portrait die dominante Rolle spielt.
In den letzten Jahren galten wiederholt die Hauptanstren-
gungen des Kunsthauses dem Ausbau der Dada-Samm-
lung sowie der geometrisch-konstruktiven Kunst. Wäh-
rend aus dem Bereich Dada als einziger Neueingang die
Schenkung von Herrn Hans Bolliger eines überaus sel-
tenen und entsprechend kostspieligen Plakats zu verzeich-
nen ist, hat unsere Sammlung konstruktiver Kunst sub-
stanziellen Zuwachs erfahren. Da es seit längerer Zeit das
Konzept unserer diesbezüglichen Bestrebungen war, den ın