SAMMLUNG
1988 scheint in einem gewissen Sinne der Wachstums-
zyklus, der 1982 einsetzte, an ein Ende gelangt zu sein. Eine
Fülle von Geschenken, darunter ganze Sammlungen,
haben die Bestände in noch nie gesehenem Rhythmus
bereichert. Mit der Stiftung Koetser (1986) verdreifachten
sich die Gemälde Alter Meister und erhielten einen ganz
neuen Stellenwert; das Vermächtnis von Johanna und
Walter L. Wolf (1984) erweiterte die spärliche Vertretung des
[mpressionismus und Fauvismus in sehr erwünschter
Weise. Zahlreiche Werkgruppen erhielten neue Höhe-
punkte: die Nelkenmeister, Delacroix, Segantini, Bonnard,
Lehmbruck, Kokoschka, Chagall, Mondrian, Giacometti,
die Amerikaner. Ebenso erfreulich entwickelten sich die
Bestände lebender Schweizer Künstler, von denen die
Zürcher Konkreten, Jean Tinguely und, unter den jün-
geren, Martin Disler hervorzuheben sind. Ein Legat un-
gewöhnlicher Höhe erlaubte von 1985 bis 1988 mehrere das
übliche Budget bei weitem sprengende Ankäufe.
Die Präsentation der Geschenke und Neuerwerbungen
zum 200-Jahr-Jubiläum, die den grossen Ausstellungssaal
benötigte, bildete den Kulminationspunkt dieser Entwick-
lung. Von dem grossen Gemälde Angelika Kauffmanns,
einem Geschenk der Jacobs-Suchard AG, und Delacroix’
«Milton diktiert seinen Töchtern das Epos ‚Paradise
Lost‘», gespendet vom Kanton Zürich, über eine Gruppe
von Bildern der «Peintres naifs de la realite&», die teils der
Familie Meyer, teils der Ernst Göhner-Stiftung verdankt
werden, über das von der Vereinigung Zürcher Kunst-
freunde erworbene Hauptwerk Kokoschkas und andern
Klassikern der Moderne reichte der Spannungsbogen bis
zu Pollock, Cy Twombly und einer grossen Gruppe
neuerer Schweizer Kunst. Ein eigener Raum war sieben
Gemälden aus der Sammlung Gustav Zumsteg vorbe-
halten, darunter Werke von Bonnard, Matisse, Mirö; sie
bilden ein versprochenes Legat ebenso wie die anschlies-
send gezeigte Sammlung von Alfred Roth, in der sich der
Aufbruch der internationalen modernen Architektur und
Kunst der Zwischenkriegszeit aus der Sicht eines ihrer
führenden Schweizer Vertreter spiegelt.
Die Mehrzahl der Jubiläumsgeschenke wurden bereits
im Jahresbericht 1987 gewürdigt; dessen zweiter Teil mit
den Werkbeschreibungen wurde für den Katalog der
«Geschenke und Neuerwerbungen zum 200-Jahr-Jubi-
läum» wiederum benützt und um die seither eingegan-
genen Gaben erweitert. Im vorliegenden Jahresbericht
werden deshalb mehrere gewichtige Neueingänge des
Jahres 1988 nicht mehr erläutert: so die Geschenke von
Stadt und Kanton Zürich, Chagalls frühe «Heilige
Familie» und das Bild von Delacroix, oder das Gemälde
von Pollock, das der Holenia Trust im Andenken an Joseph
H. Hirshhorn überreichte. Dieses Werk sollte eigentlich
aus dem grossen Legat von 1985 bezahlt werden; doch
an der Vorstandsitzung, an der dieser gewichtige Kauf
genehmigt werden sollte, konnte Herr Dr. Alther die
Runde mit der freudigen Mitteilung überraschen, dass
die genannte, von ihm mitverwaltete Stiftung dieses
Gemälde dem Kunsthaus schenken möchte. So hatte man
plötzlich «dr Feufer unds Weggli»: aus dem geschenkten
Geld konnte das grosse Bild von Barnett Newman «The
Moment I» erworben werden. Damit gelangten die bei-
den konsequentesten Gründer der «New York School»
mit eindrücklichen Werken ins Kunsthaus und runden
die seit 1970 aufgebaute Amerikaner-Sammlung zu einem
repräsentativen Panorama dieser wichtigsten Nachkriegs-
Szene ab. Ein Werk Newmans entsprach einem schon
lange gehegten Wunsch, der bisher stets an den ungenü-
genden Mitteln scheiterte; denn dieser Maler erschloss
dem Arbeiten mit elementaren geometrischen Formen,
das gerade in Zürich viele Künstler faszinierte, unerwartete
Dimensionen.
Eine andere Werkgruppe, die im Berichtsjahr zu eine!
gewissen Abrundung gelangte und nur mehr vereinzelte!
Ergänzung bedarf, ist die seit 1982 kontinuierlich erweiterte
Vertretung der neueren europäischen figurativ-expressiven
Malerei: Bilder von Bacon, Baselitz, Kiefer, Penck, Cucchi,
um nur die wichtigsten zu nennen. Im Zusammenhang mit
der Penck-Ausstellung ergab sich die ausserordentliche und
unverhoffte Chance, dessen erstes «Weltbild» zu erwerben.
die dank der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde wahrge-
nommen werden konnte. Hier fand der Künstler erstmals
zu seinem Stil: thematisch ist das Werk unserem erossen