überging. Um diesen schweren Verlust für das künstlerische
Erbe der Schweiz wenigstens ansatzweise zu kompensieren,
sollte man auf Mittel und Wege bedacht sein, wie die mit
den Stiftungen Ruzicka und Koetser so erfreulich begrün-
dete Sammlung Alter Meister weitergeführt werden könnte.
Es ist vielleicht nicht nur allgemein so, dass geschlossenen,
quasi entwicklungslos eingefrorenen Beständen etwas
Totes anhaftet, wie schon Goethe bemerkte; vielmehr gilt
es durch präzise Ergänzungen dem sich stets wandelnden
Kunstverständnis den Zugang zu dieser älteren Tradition
offen und so ihre Werte lebendig und fruchtbar zu halten.
Zu viele Kunstliebhaber schränken sich in ihrem Genuss
auf ältere oder moderne Kunst ein; gerade im Kunsthaus,
wo aktuelle Ausstellungen, alte und neue Werke hoher
Qualität unter einem Dach vereinigt sind, sollte an dieser
Vermittlung gearbeitet werden. Die neu erworbene Ansicht
der Ruinen der Kreuzkirche in Dresden von Bellotto kann
als Musterbeispiel dafür gelten, wie ungewöhnliche Werke
den Wahrnehmungshorizont in beide Richtungen weiten
können.
Mit Johann Heinrich Füssli steht schon seit langem ein
solch alt-moderner Künstler im Mittelpunkt der älteren
Schweizer Bestände. Nachdem durch die Überführung des
«Schwur der drei Eidgenossen» aus dem Rathaus und der
Erwerbung zweier Hauptwerke seiner Zeitgenossen Ange-
lika Kauffmann und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein
der ihm gewidmete Saal in den letzten Jahren nochmals
eine sehr merkliche qualitative Steigerung erlebte, konnte
nun das Erreichte durch den Ankauf des schon länger als
Leihgabe vorhandenen Gemäldes «Oberon träufelt Blu-
mensaft auf die Augen der schlafenden Titania» konsoli-
diert werden. Dank der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde
bleibt so das zauberhafte Gegenstück zu unserem berühm-
testen Gemälde Füsslis, « Titania umarmt den eselsköpfigen
Zettel», mit diesem auf Dauer vereint.
Auch der Giacometti-Stiftung glückte eine seit langem
verfolgte Erwerbung. Es handelt sich um das einzige drei-
dimensionale Selbstbildnis Albertos, vermutlich seine
letzte, im traditionellen Sinne abbildungshafte Skulptur,
bevor er sich 1925 ins Abenteuer der avantgardistisch-kubi-
stisch abstrahierenden oder surrealistisch-objekthaften
Plastik stürzte. Der meisterhafte Kopf zieht die Summe
dessen, was er bei Bourdelle gelernt hatte: so kommt ihm
sowohl im Werkganzen wie in unserer Sammlung eine
Schlüsselstellung zu. Giacometti überliess die Arbeit dem
Basler Maler Hans Stocker, mit dem er befreundet war und
der später vor allem durch seine Glasmalerei, u.a. in Karl
Mosers Antoniuskirche, berühmt wurde. Seine Kinder,
Frau Myriam Plettener und Herr Jean-Pierre Stocker,
schenkten der Giacometti-Stiftung ein eindrückliches
Gemälde ihres Vaters, in dem er die Skulptur nicht nur fest-
hielt, sondern in ihrer von Giacometti intendierten ägypti-
sierenden Monumentalität und Strenge entschieden zur
Geltung brachte.
Unser langjähriger, hochverdienter Präsident der
Sammlungskommission und Vizepräsident der Kunstge-
sellschaft, Dr. Hanspeter Bruderer, schenkte dieser anläss-
lich seines allgemein bedauerten Rücktrittes das Gemälde
«Pattern of Conflict» von Mark Tobey, das zu den zentralen
Inkunabeln aus der Zeit von dessen Stilfindung um 1944
zählt. Im Kunsthaus tritt es neben «White Writing», das
uns Herr Bruderer schon 1989 aus seiner erlesenen Samm-
lung infomeller Kunst überreichte und das ebenso wie das
andere Gemälde als besonders intensives Werk in allen
bedeutenden Tobey-Retrospektiven im Blickpunkt der
Kenner stand.
Ein weiteres gewichtiges Geschenk durfte die Kunstge-
sellschaft von Georg Baselitz entgegennehmen. Wie im
Jahresbericht 1991 mitgeteilt, war der Künstler von unseren
Bemühungen um «45» so beeindruckt, dass er mit der Gabe
eines Werkes seine Anerkennung ausdrücken wollte. Als
kurz darauf auch noch «Nachtessen in Dresden» erworben
wurde, verdoppelte er seine Geste: zum einen durften wir
das Gemälde «Volkstanz III» auslesen, zum anderen stellte
er «die nächste brauchbare Skulptur» in Aussicht. Doch die
neueren Bildwerke wollten nicht recht zu dem «Gruss aus
Oslo» passen — im Gegensatz zu dem gleichzeitig mit
diesem geschaffenen «Roten Pferd», das quasi als Statt-
halter seit einiger Zeit in unserem Baselitz-Raum stand;
schon in Derneburg hatten sich die beiden Plastiken öfter
Gesellschaft geleistet. Auf Vorschlag des Direktors ent-
schlossen sich nun Elke und Georg Baselitz, diese in
seinem bisherigen Werk einzigartige Tierskulptur dem
Kunsthaus zu schenken,
Die Kunstgesellschaft beschränkte sich im Hinblick auf
grössere Projekte in ihren Ankäufen auf die schweizerische