lichen Erfahrungsweisen und die ihr eigenen Inhalte in
unverbrauchter Weise zum Ausdruck bringt (zum Beispiel
in der Serie «Blutungsarbeit» von 1982).
Auch bei Martin Disler entstehen die Zeichnungen nie
einzeln. Wenn er zu zeichnen beginnt, macht er Hun-
derte von Zeichnungen hintereinander, tagelang, nächte-
lang, wie ın einem Rausch. Damit erweist sich das Sam-
meln von Arbeiten dieser Künstler in Werkgruppen fast
als eine Notwendigkeit. Wir besitzen von Martin Disler
21 Tuschzeichnungen und Aquarelle und 23 Druck-
graphiken, angefangen mit dem frühen Tagebuch einer
dreimonatigen USA-Reise mit Rolf Winnewisser, die wir
1976 mit einer sogenannten «Subskription» unterstützt
hatten und für die wir nach ihrer Rückkehr ein wunder-
schönes, 252-seitiges Büchlein mit Aquarellen, Photos
und Texten erhielten. Der Betrachter von Dislers Blättern
muss sich langsam in die skizzenhaft abkürzende und
fragmentarische Gestaltung einlesen, um nach und nach
figürliche Elemente zu entdecken, die ihm auf die Spur
helfen. Die in Lust und Schmerz wie im Tanz bewegten
Körper und Körperfragmente sind so- ineinander ver-
flochten, dass sie sich einer eindeutigen Interpretation
entziehen. Dislers Absicht ist es denn auch, eine nicht
abgeleitete Formensprache zu finden, eine gegenüber der
akademischen Tradition «falsche» Sprache, die aber gerade
dadurch in der Lage ist, assoziative Phantasien und emo-
tionale Prozesse beim Betrachter auszulösen.
Die Werkgruppe von Ilona Ruegg ist inzwischen auf
27 Zeichnungen und 4 Graphiken angewachsen. Aus
dem Misstrauen gegen fixierte Vorstellungen und über-
nommene Sehweisen versucht die Künstlerin eine Erwei-
terung der Wahrnehmungsfähigkeit zu gewinnen, indem
sie auch die Randzonen miteinbezieht. Sie interessiert
nicht das lineare Sehen, sondern das Sehen in Sprüngen,
wo Erinnertes und Augenblickliches, weit Auseinander-
liegendes und Gefühlsmässiges ineinanderspielen.
Mit dem speziellen Bereich der Bildhauerzeichnungen
haben wir an eine lange Tradition des Kunsthauses ange-
knüpft, zu dessen Stärken die internationale und Schwei-
zer Plastik des 19. und 20. Jahrhunderts zu rechnen ist.
Aufbauend auf der Sammlung von Zeichnungen deı
Alberto Giacometti-Stiftung und den Zeichnungsbestän-
Enzo Cucchi
Ohne Titel, 1985