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1Die
Literatur zu Giacometti ist au sufernd, klassisch zum Werk und
s einer Deutung Reinhold Hohl: Alberto Giacometti (Stuttgart 1971),
zur Biographie James Lord: Alberto Giacometti. A Biography (New
York 1985, auch deutsch und französisch), praktisch die annalistische
Übersic ht mit vielen Quellenzitaten von Reinhold Hohl: Giacomet ti.
Eine Bildbiographie (Stuttgart 1998). Spez iell über die Periode nach
der A bwendung vom Surr eal ismus Alberto Giacometti, retour à la figu-
rat ion 1934–1947 (A u sst.Kat. Genf / Paris 1986).
2 Zit iert
nach einem unveröffentlichten Text von Annette Bühler, dem
ich auch im F o lgenden sehr verpflichtet bin. Sie besuchte Diego 1970
in Paris und zeigte ihm die Figürchen.
31934
nann te Diego gegenüber Annette Bühler, 1938 dem Schweize-
rischen Institut für Kunst wissen sch aft für die Inventarisierung
(P. Chmelik, 30. Januar 1970, Inv.Nr. 16994 und 1 6995).
4Zu
der «L ’objet invisible» oder « Mains tenant le vide» genannten
Skulptur siehe zulet zt Alberto Giacomet ti (Ausst.Kat. Zürich/New York
2001), Nr. 58, S. 110f.
5Es
ist hier auch an den Vogel auf dem gleic hzeit ig entstandenen
Grabstein des Vaters und auf dem Grabm al der Gerda Taro von 1937/38
zu erin nern (Hohl 1998, Abb. S. 81, 92).
649x69
cm, Gesc henk von Paul und Mar grit Hahnloser an die Vereini-
gung Zürcher Kunstfreunde. Pr ovenie nz: Diego Giacometti – Sil vio
Berth oud. Es ha ndelt sich wohl um die erste Ausformung, ein weite -
res Exemplar geh örte Téri ade, von einem späten Guss wur den pos tum
Bronzegüsse hergestellt, siehe: Alberto Gia comett i. Dibujo , escultura,
pint ura (Ausst.Kat. Madrid 1 990), no. 1 69–171 und: Alberto Giacomet -
ti. Sculptures, peintures, dessins (Ausst.Kat. Paris 1 991), no. 68.
7Die
Sammlung der Alberto Giacometti-Stiftung (Zürich 1 990), Nr. 33a.
8 Abgebildet
in Auktionskat. Christ ie’ s Paris, 28.9.2002, lot 35.
9 Neben
der seit l angem bekannten Zeichnung in der Sammlung Korn-
feld ist neuerdings aus der Success ion Anne tte Giacometti eine frühe -
re Fassung bekan nt geworden, si ehe: Le dessin à l’œuvre (Ausst.Kat.
Paris 2001) , no. 61.
10
Ein Foto von Pierre Bruguière zeigt das Schäftchen neben dem Bett
mit einer Büste Rita (vgl. Slg.Kat. Z ürich 1990, S. 181) darauf (Hohl
1998, Abb. S. 92, besser reproduziert in: Alberto Giacometti. Dialoghi
con l’arte [Ausst.Kat. Mendrisio 2000], S. 27.)
11Wir
folgen hier Emma Brunne r-T raut: Frühformen des Erkenn ens:
am Beis piel Altägyptens (Darmstadt 1 990), bes. S. 11f.
12 Insbesondere
die Serie der Köpfe der Eltern von 1927, die zu «Tête
qui regarde» führ en und zahlreiche Werke der Reifezeit, am promi-
nentesten «Grande tête de Diego», 1954.
13 Alberto
Giacometti-Stiftung, Zürich, Geschenk Bruno und Odet te
Giacometti, zusammen mit der Zeichnung Giovannis abgebildet in: La
mamma a Stampa. Annetta – gesehen von Giovanni und Alberto Gia-
comet ti (Ausst.Kat. Züric h /Chur 1 990), Nr. 64f. – Ein weiteres Relief,
vermutlich eine Landschaft darstellend, das möglic herweis e mit dem
Stillleben-Relief verwandt war, ist nur im Hin ter grund von Fotografien
von Emile Savit ry überlie f ert (Hohl 1998, S. 108, resp. Auktionskat.
Christ ie’ s Pa ris, 28. 9.2002, S. 90). – Kaum bekannt sind die mit Relie fs
ges chmück ten Türen der Gruft von Kauffmann in Bear Run bei dem
berühmten Haus Frank Lloyd Wrights von 1954, s. Alberto Giacomet ti.
(Ausst.Kat. Mail and 1995, ed. Casimiro Di Crescenzo), Abb. S. 24.
sel von der neueren, subjektiv pers pektivischen Dar-
stellungsweise zur älteren «As pektive» sehen, in der
die Dinge parataktisch nebeneinander als «Entäusse-
rung der v erinnerlic hte n W ahrnehmung», als « Seins-
bilder» präs entiert
werden.11 Paradigma
dieser ur-
sprünglicheren Bildsyntax ist die ägyptische Kuns t, die
Giacometti dama ls inte nsiv studierte. Der Typus des
Flachreliefs mit Einfas sung, linearen Unterte i l ungen,
Aufreihung hieroglyphenhaft prägnante r Dinge, se lbst
das l eichte Auseinanderstreben der Seitenw angen
nach unten knüpft an diese Tradition an. Wenn Cézan-
ne davon sprach, dass er Poussin nach der Natur neu
machen möchte, k önnte man von Giaco metti sa gen,
dass er die zeitl ose Gegenw art der ä gy ptischen Kunst
im Bewusstsein der modernen Subjektivit ä t wieder
erreichen wollte.
Das Stilll e ben-Re lief ist im Werk Giacome tt is ein-
zigarti g geblieben: er wird nur noch Me nschen und ein
paar Tiere f ormen und sich entweder in Rundpla stik
oder in Malerei ausdrücken. Die hybride Zwischenform
wird er schon deshalb vermeiden, weil perspektivische
Abflachungen zu den wesentlichen Mittel n für die
spezifische Gestaltung s einer Skulpturen
gehören.12
Abgesehen von Auftragsa r beite n ist nur noch ein wei-
teres Relief erhalten, das ebenfalls sehr flache, nach
einer Zeichnung Giovannis in Marmor gearbeitete
Gesicht der Mutter von
1921.13 Schwank te
er dama ls
zwischen Malerei und Plastik, vers uchte er in dem
Stilll e ben-Re lief möglicherwe i s e, den Durchbruch bei
s einer Suche nach einem neuen Stil, der ihm im Som-
mer 1937 beim Malen der Mutter und eines Apfe ls
gel ang, in den Bereich der Skulptur zu übertragen.
Das Re lief verbindet die beiden Kompositionen und
realisiert sie mit ein paar im Pariser Atelier vorhande-
nen Dingen. Das Illusionistische, das insbesondere
dem Flachrelief eignet, liess das V orhaben glücken –
aber für den nächs ten Schrit t, der «illusionistischen
Skulptur» einer plötzlich in der Ferne in Erscheinung
tretenden Person, half es ihm nur wenig.
Christian Klemm