Volltext: Jahresbericht 2004 (2004)

Andro Wekua wurde 1977 in Georgien geboren. Sein 
Heimat ort Sochumi, einst ein id yl lisches Städtchen an 
der Küste des Schwarzen Meers und zu Ze iten der 
Sow jetunion einer der beliebtesten Badeorte für Par- 
teifunktionäre, ist heute Sperr gebiet. Wegen politi- 
scher Wirr en musste Wekua bereits als Dreizehnjäh- 
riger aus seiner Heimat fliehe n, doch in s einem Werk 
tauchen immer wieder E rinnerungen an seine Kind- 
heit in Georgien auf – so auch in der vom Kunsthaus 
letztes Jahr angek auften Ze ic hnungsgrupp e «Ohne 
Titel» (20 01). Darin begegnet man wiederhol t einem 
Bild von zwei kleinen Jungen. Schön frisiert und sau- 
ber ange zogen, st ehen sie da und lächeln in die Kame- 
ra. Offensichtlich sind es Geschwister, doch genauere 
Details zur Bestimmung der Personen fehlen. Die 
Zeichnung ist stark r eduziert und lebt von vagen 
Andeutungen.  Gerade in ihrer absichtlic he n Offenheit 
erzäh lt sie vielerlei Geschichten. Eine davon ist, dass 
es sich bei den beiden Jungen um Andro Wekua und 
se inen Bruder handel t, die der Künstler nach einem 
Foto aus s einer K indheit gezeichnet hat. Doch das 
Unbes timmte der Zeichnung ist charak teristis c h für 
Wekua. Er will keine eindeutige Geschichte erzählen, 
so ndern viel mehr ein Setting für ganz unt erschiedli- 
che Inhalt e bereitstellen. Dabei vermischt er Fiktion 
und Re alität und lässt sie zu einem geheimnisvoll en 
Ort der E rinnerung zus ammenw achsen , der etwas 
von einem verwunschenen Paradies hat. 
Neben Erinnerungen aus Georgien verarbeitet 
Wekua auch Bilder der westlichen Medien- und Kon- 
sumwelt. Insbesondere in se inen f rühen Zeichnungen 
im Format A4, zu denen auch die Neuerwerbungen 
des Kunsthauses gehören, lässt er sich von der bun- 
ten Unterhaltungsindustrie inspirieren. Bilder von 
Filmstars und Figuren aus Videogames tauchen auf, 
aber auch schnell e Autos oder sexy Frauen. Als Wekua 
vor acht Jahren in die Schweiz kam, l ernte er diese so 
anders arti ge Bildwel t kennen. Dama ls wo llte er – wie 
er selbst sagt – seine Vergangenheit hinter sich lassen 
und vergessen. F a sziniert von den farbigen Bildern 
seiner neuen Umgebung, hält er diese mit schnellem 
Strich in Zeichnung e n fest. Pa rall el dazu entstehen 
vage E rinnerungsbilder aus seiner Kindheit, doch 
immer wiede r übe rschneiden sich die beiden schein- 
bar völ lig konträren Sphär en und fügen sich collagen- 
artig zu einem neuen Ganze n zusa mmen. Verbinden- 
des Element bl eibt dabei die r eduzierte F ormens prac he 
und das Offene der Aussage sowie eine bedrohlich 
unheil volle Atmo sphär e, die unterschwellig immer 
mitschwingt. Auch in der angekauften Zeichnungs- 
g ruppe scheint das Brutal-Gefährliche regelmässig 
unter der farbig-schönen O berfläche auf – sei es in 
dem dicken Strich, mit dem Wekua be stimmte Teile 
der Zeichnung scheinbar wüte nd durchstreicht, oder 
sei es in roten Bluttropfen, die er an verschiedenen 
Stellen über das Blatt kullern lässt. 
Wekua schaff t unheimliche Szenerien – inzwi- 
schen längst nicht mehr nur auf dem P apier, s ondern 
auch in Form von  Skulpturen oder raumumfassenden 
Installationen. Gerade seine neuesten Arbeiten sind 
düsterer und geschlossener als seine frühen Zeich- 
nungen, doch wie zu Begi nn kreiert er mit seinen 
Werke Orte, um die sich geheimnisvolle Geschichten 
ranken und die gleichzeitig von Sehnsucht und grosser 
Einsamkeit geprägt sind. Mirjam Varadinis 
  
Die vom Kunsthaus angeka ufte Auswahl von 25 Ze ichn ungen und 
Col lagen hat der Künstler für die Publ ikat ion im Miuze-Heft Nr. 1, 
2001 ( heraus gegeben von Gia nni Jet zer), zusammengestellt. Wer 
sich für das Heft interessiert, fi ndet mehr Informationen dazu unter 
www .m iu ze.com. 
ANDRO WEKUA 81
	        
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