21
Die Barmherzigkeit des Propheten.
Die Sonne brannte durch Dämpfe, die aus dem dröh
nenden Berg gerissen braun verwehten. An einen schatten
losen Felsen hingewurzelt, schlug Moses die Täler seiner
Erkenntnis und seines inbrünstigen Wissens von Gott in
steinerne Tafeln.
Und Gott schrie seine Gewalten gegen den Propheten,
daß er erzitterte. Aber er grub sich fest an den Felsen,
schleuderte seinen Eifer auf die Tafeln und band sich zu
sammen. Krumm fuhr er in die Leidenschaftlichkeit seines
Willens nieder und bog seine Gedanken zu eisernen Riegeln.
Seine Kniee bluteten von den Steinen, auf die er sich
niederstieß, um anzubeten; die Wildheit seiner Liebe warf
ihn der Offenbarung hin, daß er Mund Gottes würde. Das
überfiel ihn wie Schrei Sterbender, unausweichlich.
So wurde er durch alles menschliche gerissen bis es
ihn fortnahm zu 'seinem Volke, daß er sich auftäte und
.seine Seele vor ihm blute.
Wo der letzte Fels sich abwarf in die Wüste, sah er
die gelben Zelte hocken; das Volk aber hatte sich das
Bildnis eines Stieres gegossen aus seinen Kostbarkeiten,
denn es hatte Moses vergessen.
Da ergrimmte Moses über seine Einsamkeit, sich preis
zugeben den Tanzenden und seine Stille schwoll zornig
gegen die Singenden. Es riß ihn auf, da er ihre bunten
Kleider sah; sein Wille zersprang und er schmetterte die
Tafeln seines Glaubens an den Fels, daß der Schiefer ent
blättert brach.
Aber als die Sonne grell auf das Gold des Stieres stach
und die Inbrunst der Gesänge sich klammerte an das Bild
und rang um kargen Sinn, erkannte Moses die Ungeduld
des Volkes, sich hinzugeben und fromm zu sein. Und als
die Frauen die nackten Arme gegen den Altar flehend
stießen, sah er ihre weinende Armut vor Gott sehr demütig
ausgebreitet.
Da erbarmte er sich der vielen Fremden und hob seine
Schwere zum Berg hinauf, um seinen zertrümmerten Gott
wieder zu suchen.
Aber er fand in dem verglimmenden Brand seiner Seele
nur noch Gesetze.
Akmar Erich Günther.