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in der Lage ist, ebenso handeln. Mögen bald viele
Deutsche so weit sein.
Da mir eine Kundgebung in der deutschen Oeffent-
liehkeit nicht möglich ist, habe ich es für den gegebenen
Weg gehalten, Euer Exzellenz von diesem meinem
Standpunkt zu unterrichten. Dr. W. Muehlom
II.
Deutschland und Belgien
von Dr. W. Muehlon. *)
Die Vergewaltigung Belgiens war ebenso wie die
Hollands zwar oft vor dem Kriege als Eventualität
erörtert worden, jedoch war es ein militärisches Ge
heimnis geblieben, daß für den Fall eines gleichzeitigen
Krieges gegen Rußland und Frankreich der deutsche
Plan definitiv feststand, Frankreich auf die schnellste
Weise und mit alLen Kräften niederzuwerfen, bevor
das langsame Rußland schlagbereit sei, und deshalb
unter allen Umständen den Durchmarsch durch Bel
gien zu fordern.
Nachdem der Reichskanzler die dem militärischen
Gebot entsprechenden Schritte getan hatte und nach
dem er schon wußte, daß Belgien sich zur Wehr setze,
trat er vor den Reichstag und entschuldigte sich: Not
kenne kein Gebot. Belgien werde wiederhergestellt und
entschädigt werden. Seine Rede zeigte klar, daß Bel
gien ohne eigenes Verschulden, lediglich aus deutschen
strategischen Erwägungen mißhandelt werde. Wenn
seine Rechtfertigung auch nicht die Notwendigkeit,
gerade diesen Feldzugsplan zu wählen, enthüllte, son
dern vielmehr die schrankenlose Brutalität der Pläne
schmiede, so war doch sein Eingeständnis der Schuld
losigkeit Belgiens sein größter Augenblick im Kriege.
Das will im heutigen Deutschland etwa so viel heißen,
als daß dieses Eingeständnis seine größte und unver
zeihlichste Ungeschicklichkeit war, die gutgemaoht
werden mußte. Es dauerte auch nicht lange, so fingen
*) Vergl. auch das im Verlag Orell Füßli, Zürich, erschienene
Tagebuch Dr. W. Muehlons: „Die Verheerung Europas“, 1918.