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grösste Sammlung Europas dürfte die des britischen Mu
seums sein.
Das Bild des Kunstmarktes, den ich seit mehr als dreissig
Jahren beobachte, hat sich völlig verändert. Heute sind
Holzschnitte der ältesten Zeit, die sogenannten «Primi
tiven», gute Harunobus, besonders Sharakus, eine schwer
bezahlbare Seltenheit geworden. Ich habe auch «Wande
rungen» von Einzelstücken durch verschiedene Sammlun
gen verfolgt. Ein sehr wichtiger Teil des Gesamtkomplexes,
der sich zu seiner japanischen Heimat zurückgefunden
hat, ist, wie ich aus sicherer Quelle weiss, auf tragische
Weise vernichtet worden, nämlich in dem furchtbaren
Erdbeben von Tokyo, das wir alle miterlebt haben. Wer
heute sammeln will, erhält von älteren Meistern allen
falls Blätter aus leider zerteilten Büchern, sonst fast nur
Beispiele aus der spätem Zeit; immerhin hat auch diese
ihre künstlerischen und kulturgeschichtlichen Werte.
Die Zentren des Sammelinteresses sind, wie wir gesehen
haben, Amerika, Deutschland, England, Frankreich. Aber
auch in andren Ländern sind Pioniere dieser eigenartigen
Kultur erstanden; In NorwegenLeif ReinhardNatvig,Kri
stiania, in Böhmen Sigismund Bouska, und mit der Ausstel
lung im Zürcher Kunsthaus unter den Auspizien der Verei
nigung für zeichnende Kunst in Zürich, welche einen Teil
der mit unermüdlichem Eifer geschaffenen Sammlung des
Herrn W. Boiler-Baden zum ersten Male der Allgemein
heit erschliesst, soll nun auch die Schweiz unsrer ars ama-
bilis gewonnen werden. Natürlich trägt auch diese Samm
lung das Gepräge aller in unsrer Zeit begonnenen: die
Mehrheit der Blätter stammt aus der Zeit nach Utamaro,
wenn auch frühere Epochen vortrefflich vertreten sind.
Da mir die Aufgabe wurde, zu dieser Ausstellung die
Ouvertüre zu schreiben, so werde ich bei einem kurzen
Abriss der Entwicklung des Farbenholzschnittes besonders
auf die Meister einzugehen haben, deren Werke der Be
schauer vor sich sieht, und die früheren Zeiten nur sum
marisch behandeln dürfen.