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Jahresbericht 1989 (1989)

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Bibliographic data

fullscreen: Jahresbericht 1989 (1989)

Periodical

Title:
Jahresbericht
Collection:
Journals
Document type:
Periodical
Persistent identifier:
20416
Place of publication:
Zürich
ISSN:
1013-6916

Periodical volume

Title:
Jahresbericht 1989
Collection:
Journals
Document type:
Periodical volume
Shelfmark:
Per 374 : 1989
Persistent identifier:
20416_1989
Volume count:
1989
Place of publication:
Zürich
Publisher:
Zürcher Kunstgesellschaft
Year of publication:
1990
Edition:
[Electronic ed.]
Language:
German

Chapter

Title:
Hinweis auf Neuerwerbungen
Collection:
Journals
Document type:
Periodical
Structure type:
Chapter

Chapter

Title:
Chthonisches
Collection:
Journals
Document type:
Periodical
Structure type:
Chapter

Contents

Table of contents

  • Jahresbericht
  • Jahresbericht 1989 (1989)
  • Book cover
  • Front paste down
  • Title page
  • Contents
  • Vorwort de Präsidenten
  • Sammlung
  • Ausstellungen
  • Graphische Sammlung
  • Videothek
  • Bibliothek
  • Restaurierung
  • Veranstaltungen
  • Veröffentlichungen 1989
  • Blank page
  • Kunsthausbesuch
  • Kunstgesellschaft
  • Direktion und Personal
  • Rechnung 1989
  • Blank page
  • Part of figure
  • Hinweis auf Neuerwerbungen
  • Chthonisches
  • Ein Maler im Atelier
  • Die "Marc Rich-Collection"
  • Serge Poliakoff "Composition en bleu", Mark Tobey "White writing"
  • Zwei Werke von Georg Baselitz
  • Blank page

Full text

HInNwEIS AUF 
EINIGE NEUERWERBUNGEN 
CHTHONISCHES 
Rubens’ «Orpheus» ist also wieder aus der Unterwelt 
emporgestiegen: Unterwelt — das heisst hier im Klartext: 
ein Schliessfach im Keller der Stadtsparkasse von Neu-Isen- 
burg bei Frankfurt; Pluto waltet dort nicht als Totenrichter, 
allenfalls als Gott des Reichtums. Ebendort wohnte übri- 
gens lange Zeit Karl Binding, dessen Stiftung wir den Rück- 
kauf der Ölskizze verdanken. Unterwelt —was heute Mafia 
und anderes organisiertes Verbrechen heisst, bedeutete 
einst das Reich der Toten, das die Gedanken der Lebenden 
erfüllte — doch seit der Aufklärung haben wir dafür 
Geschichtswissenschaft und Museen. 
Und so fehlt es denn im Kunsthaus nicht an Darstel- 
lungen chthonischer Mächte: Christianisiert lodern die 
höllischen Flammen auf dem «Engelsturz» des grossen 
Michaelsaltars des jüngeren Zürcher Nelkenmeister; wie 
nach dieser Katastrophe Satan aus dem Feuermeer Beel- 
zebub aufruft, gestaltet Füssli nach Miltons Vorstellung. 
Im Hintergrund von Delacroix’ Bild des sein «Paradise lost» 
diktierenden Dichters sieht man nach Raphaels Vorbild, 
wie Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben werden: 
Rubens paraphrasiert und adaptiert das Paar zu Orpheus 
und Eurydike, liegen doch die Elysischen Felder mit den 
seligen Geistern ebenso im Jenseits wie das Feuermeer, das 
hinter Pluto lodert. Ausgeburten der Unterwelt geistern 
auch durch andere Gemälde Füsslis: die Sünde vom Tod 
verfolgt, die rächenden Erinnyen, die Alkmaion von der 
Leiche seiner Mutter vertreiben, der Schatten des Patroklos, 
nach dem Achill sehnend die Arme reckt. Lieblicher malt 
Angelika Kauffmann die von Amor wieder auferweckte 
und getröstete Psyche, nachdem sie auf Befehl der Venus 
bei Proserpina Schönheitssalbe holen musste; noch sieht 
man links den Eingang zur Unterwelt, aus der sie stieg. 
Aufeiner lieblichen Wiese spielte auch Eurydike, als der 
Biss einer Schlange sie tötete. Untröstlich strebte ihr 
Gemahl Orpheus in die Unterwelt und bezauberte mit 
seinem Gesang alle chthonischen Mächte. Ein grosses, erst 
neulich bestimmtes Frühwerk von Mattia Preti, das im 
Kunsthaus der Restaurierung harrt, zeigt nach Ovids Schil- 
derung im 10. Buch seiner «Metamorphosen» den Sänger 
vor dem Höllenfürsten, während selbst die unendliche, 
sinnlose Wiederkehr der Qualen der Verdammten — der 
Stein des Sisyphos, das Rad des Ixions, der Durst des Tan- 
talus —durch die Macht der Töne unterbrochen wird. Und 
bereits erscheint Eurydike hinter dem Rücken ihres 
Geliebten. Merkwürdigerweise glaubt man in dieser 
antiken Gesellschaft den mittelalterlichen Sänger der aus- 
serirdischen Orte zu erblicken: unverkennbar ist Dantes 
adlernasiges Profil unter dem Lorbeerkranz, der ihn mit 
seinem archetypischen Vorgänger vereint. In Kunst und 
Jenseits herrschen offensichtlich andere Gesetzmässig- 
keiten der Zeitlichkeit: immer wieder versuchen göttliche 
Sänger die Zeit aufzuheben, das in den Abgrund der Ver- 
gangenheit und des Vergessens Entschwindende beschwö- 
rend zu retten. 
Gegenüber Pretis breit erzählenden, im lyrisch Zuständ- 
lichen aufgehobenen Szenerie konzentriert Rubens das 
Geschehen auf die psychische Interaktion der vier Hauptfi- 
guren. Dem griechischen Thema entsprechend, entwickelt 
er die Komposition in der Art antiker Reliefs in bildparal- 
leler, isokephaler Reihung; die Abweichung von der damit 
gesetzten Regel wird dadurch um so sprechender. Die sinn- 
volle Zuordnung der vier Hintergrundzonen zu den vier 
Personen unterstreicht diese Bildorganisation: Während 
dem ins Freie strebenden Orpheus der schmale Streifen 
offenen Raumes am linken Bildrand zugewiesen wird, um- 
flammt die Höllenglut den finsteren Fürsten, dessen Bei- 
trag zum Geschehen offensichtlich nur darin besteht, dass 
er nicht eingreift; in der grossen Ausführung fand Rubens 
mit einer in sich kreisenden Verspannung der Arme dafür 
ine sprechendere Haltung. 
Das eigentliche Drama aber findet zwischen den beiden 
Frauen statt, der hell leuchtenden Eurydike vor der 
Rustika-Mauer und der dunklen, Trauer tragenden Proser- 
pina. Sie öffnet mit weisender Geste dem Paar den Weg zu- 
rück aus der Unterwelt, in die sie einst selbst von Pluto ent- 
führt wurde. Die Erinnerung an das schreckliche Ereignis
	        

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