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schwierige Gruppierungen zahlreicher Personen dem Holzschnitt an-
zuvertrauen, wie er überhaupt danach strebte, der Holzschnittechnik
neue Wirkungen abzugewinnen. Wenn er in den frühen Werken, etwa
in der Apokalypse, danach trachtete, der Linie — der Holzschnitt ist
ja wesentlich eine Linienkunst — eine bisher unerhörte Ausdrucks-
kraft zu geben, so suchte er später auch durch Schraffierung starke
körperliche Rundung zu erreichen und das Licht- und Schattenspiel
in den Holzschnitt einzuführen. Dabei sind ihm Dinge gelungen wie
die Jünger in Emmaus oder Christus als Gärtner in der Kleinen Passion,
oder die wundervolle Dreifaltigkeit von 1511, deren verklärendes
Silberlicht die himmlische Sphäre überzeugend ausdrückt. In diesem
letzten Blatt ist die Technik des Schnittes von einer Feinheit, die an
einen Kupferstich denken läßt.
Eines freilich blieb immer dem Kupferstich vorbehalten: die Charakte-
risierung des Stofflichen, zu der sich diese Technik vorzüglich eignet.
Dürer als echter Sohn eines Goldschmieds, hat eine wunderbare
Fähigkeit erreicht, mit minutiöser Feinheit die Oberfläche der Dinge
zu geben; ein Stück Pelz, das Fell eines Tieres, die Bewegung einer
Baumrinde, all das ist mit unerhörter Eindrücklichkeit zum Leben er-
weckt. Die Flügel der Nemesis mit ihren Vogelfedern hat schon der
Kunstpapst der italienischen Renaissance, Giorgio Vasari, als etwas
Unvergleichliches bezeichnet. Unvergleichlich auch das Leben, wel-
ches auf dem Stich des Heiligen Hieronymus im Gehäus das Licht’ den
Dingen gibt, der Maserung des Holzwerks, der Wand, dem Fell der
liegenden Tiere. Hält man neben diesen Hieronymus von 1514 den
Holzschnitt von 1510, so erlebt man den Unterschied zwischen Kupfer-
stich und Holzschnitt höchst eindrucksvoll.
Dürers nie ruhender, allen Anregungen offener Sinn, hat sich nicht
genügen lassen an den überlieferten graphischen Techniken. Er hat
neue Verfahren erprobt. So gibt es in seinem Werk fünf Eisenätzungen,
entstanden zwischen 1514 und 1518. Die Eisenätzung war ein Vorläufer
der Radierung, ein Verfahren, das bisher in der höheren Kunst keine
Verwendung gefunden hatte, und die Arbeit, welche beim Kupferstich
der Stichel besorgte, den chemischen Kräften einer Säure überließ. Die
Aufgabe des Künstlers bestand darin, in eine das Metall deckende
säurefeste Schicht eine Zeichnung einzuritzen. Die von seiner Nadel
bloßgelegten Metallstellen wurden von der Säure angegriffen, während
die übrige Plattenoberfläche durch den Belag geschützt blieb. Nach
der Vollendung wurde die Platte wie ein Kupferstich gedruckt. *
Dürer wird nach dieser neuen Technik gegriffen haben, weil sie der
Hand des Künstlers eine größere Freiheit gestattete als der Kupfer-