Von Gottes- und Menschenrechten.
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Sie sind sogar der Meinung, daß der natürliche Mensch meta
physisch denken könne; gleichwohl gelangen sie über eine psy
chologische Kultur nicht hinaus. Ihre Metaphysik, soweit .sie eine
solche aufstellen, muß notwendig eine Täuschung sein; ihr Gottes
glaube, soweit sie die Freiheit leugnen, ein abergläubischer
Wahn.
*
Für die ungebrochene, triebfrohe Natur kann es keine Freiheit
geben, und auch die gebrochene nähert sich der Freiheit nur.
Die Heiligen sind die einzigen vertrauenswürdigen Metaphysiker;
sie allein geben eine legitime Auskunft von Gott. Es gibt keinen
Heiligen in der Kirche, der nicht ein gewaltiger Asket gewesen,
das heißt seine eigene, und die Natur überhaupt mit der größten
Skepsis betrachtet hätte. Die christliche Asketik ist eine Lehre
von den Methoden, wie man die Natur und den Trieb überwindet,
wie man die Freiheit erobert; das Himmelreich will ja nach dem
Evangelisten erobert sein. Die generöse Denkart, das Wissen,
der Heroismus: die ganze Hierarchie ruht auf dem Prinzip der
Askese. Die hohen Dinge sind kostspielig, teuer. Sie kosten die
Selbstüberwindung, wenn nicht die Zerschmetterung des ganzen
selbstischen Menschen. Man kann sich nicht im Schlaraffenland
und in der Civitas dei zugleich aufhalten.
*
G. A. Borgese in seinem Buche „Italia e Germania“ untersucht 15. IV.
den furor teutonicus. Der deutsche Geist zeigt eine Divergenz
zweier bei anderen Nationen versöhnter und ausgeglichener Eigen
schaften. Die eine erschöpft sich im Orgiasmus, im dionysischen
Überschäumen, in der Manie; die andere in der Form, der Juristik,
der Logik. Der Autor spricht von ,intima sfrenatezza* und
,esterna regolaritäk In den Genies und an großen Zeitwenden
bricht der Fanatismus den formalistischen Zwang und wird dann