Volltext: Die Flucht aus der Zeit

* 
4. 
Zürich, 
X. 1915. 
Zwei Tage sind vorüber und die Welt hat einen anderen 
Aspekt. Ich wohne jetzt in der Grauen Gasse und heiße Gery. 
Auf dem Theater nennt man das Verwandlung, Umbau. Der 
seltsame Vogel, dessen Nest mich aufgenommen hat, heißt Fla 
mingo. Er beherrscht mit seinen zerrupften Flügeln ein kleines 
Quartier, das sich am Abend abermals verwandelt. Hier blüht 
die ägyptische Zauberei, und das Traumbuch liegt auf den Nacht 
schränken derer, die an den Tagen geschlossenen Auges vor 
übergehen. 
* 
Das Ich ablegen wie einen durchlöcherten Mantel. Was nicht 
aufrechtzuerhalten ist, muß man fallen lassen. Es gibt Menschen, 
die es absolut nicht vertragen, ihr Ich herzugeben. Sie wähnen, 
daß sie nur ein Exemplar davon haben. Der Mensch hat aber 
viele Ichs, wie die Zwiebel viele Schalen hat. Auf ein Ich mehr 
oder weniger kommt es nicht an. Der Kern ist immer noch Schale 
genug. Es ist erstaunlich zu sehen, wie zäh der Mensch an 
seinen Vorurteilen festhält. Er erträgt die bitterste Qual, nur um 
sich nicht auszuliefernj Das zarteste, innerste Wesen des Menschen 
muß sehr empfindlich sein; aber es ist ohne Zweifel auch sehr 
wunderbar. Wenige gelangen zu dieser Einsicht und Ahnung, 
weil sie für die Verletzlichkeit ihrer Seele fürchten. Die Furcht 
verschließt ihnen die Ehrfurcht.
	        
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